Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Vom Himmel in Die Traufe

Titel: Vom Himmel in Die Traufe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
Vom Netzwerk:
Jahren in der mechanischen Werkstatt der Pajusaari-Fabrik, die zum Kemi-Konzern gehörte, gearbeitet hatte. Damals hatte sich ein gewöhnlicher Arbeiter nicht mal im Traum vorstellen können, je im Merihovi zu essen, weil ihm dazu das Geld und die Krawatte gefehlt hatten. Ragnar fragte verwundert, wieso Herr Heiskari in der Werkstatt einer Holzmasse­fabrik gearbeitet hatte, wurde dort nicht eigentlich Masse produziert? Und außerdem war ja Herr Heiskari ein fliegender Holzfäller und kein Mechaniker.
    Hermanni klärte ihn dahingehend auf, dass in jeder Holzmasse- und Papierfabrik eine eigene Werkstatt gebraucht wurde, in der Ersatzteile gefertigt und sämtliche bei Erweiterungsmaßnahmen anfallenden Metallarbeiten durchgeführt wurden. Um den Job zu bekommen, hatte er sich eines damals üblichen Tricks bedient.
    »Während ich in der Schlange anstand, ließ ich verlauten, dass ich fünf Jahre Ausbildung in der Lokomotivwerkstatt von Vaasa hinter mir hatte, und sofort wurde ich eingestellt.«
    »Verlangte man denn keine Zeugnisse?«
    »Ich versprach, sie am nächsten Tag vorzulegen, aber kein Mensch fragte mehr danach.«
    Hermanni hatte sich allerdings sputen müssen, die Arbeit in der Werkstatt zu erlernen. Nachts las er die einschlägigen Lehrbücher, aber die Terminologie musste er sich dadurch aneignen, dass er den Gesprächen der älteren Arbeiter lauschte. Ungefähr ein Jahr lang war Hermanni in der Werkstatt beschäftigt, und in dieser Zeit wurde er firm im Beruf. Er prahlte Ragnar gegenüber, dass er auch heute noch imstande wäre, etwa einen Automotor zu bauen, wenn er die entsprechenden Werkzeuge und das Zubehör bekäme, eine Drehbank, eine Fräsmaschine, Aluminium, Stahl und Lager. Hätte er damals nicht zur Armee gemusst, wäre er vielleicht noch länger in der Werkstatt geblieben.
    Ragnar Lundmark fragte, ob Herr Heiskari die Touristenhotels Lapplands von West nach Ost oder in umgekehrter Richtung kennenlernen wollte. Hermanni entschied sich, die Reise im östlichen Winkel zu beginnen. Ragnar besorgte Fahrkarten für den Nachtzug aus Helsinki, und so fuhren sie also nach Kemijärvi.
    Während der ganzen Nacht prasselte Regen gegen das Fenster des Schlafwagenabteils.
    Dieser Juli war feucht, ständig regnete es. Das Heu verfaulte auf den Feldern, die Partei der Landleute schimpfte auf die Regierung wegen ihres Beitritts zur EU , und die Urlauber klagten über die kühle Witterung. Aber Hermanni Heiskari drehte sich in seinem Schlafwagen erster Klasse zufrieden auf die andere Seite und dachte bei sich, dass es draußen ruhig regnen mochte. Hier lag einer, dem das Wetter nichts anhaben konnte.
    Im Traum geisterte durch seinen Kopf der schwache Gedanke, dass er in diesen Himmel der Genüsse quasi am Schenkel einer in Not befindlichen Frau emporgeklettert war – bildlich gesehen –, ganz wie ein gieriger Gigolo. Aber der Gedanke machte ihm kein schlechtes Gewissen, es war ein eher angenehmer Traum, und ein Albtraum war es ganz sicher nicht.
    Gegen Morgen stoppte der Zug irgendwo östlich von Rovaniemi, als wäre eine Wand vor ihm aufgetaucht. Die Notbremsung war so abrupt, dass die Reisenden das Gefühl hatten, als wäre der ganze Wagen aus dem Gleis gesprungen. Gewaltiges Donnern war zu hören, als die pneumatischen Bremsen über die Schienen schrammten. Hermanni und Ragnar lugten aus dem Fenster. Draußen wurde laut gerufen, und bald liefen einige Männer mit einer Trage am Bahndamm entlang. Anscheinend war irgendetwas passiert. Es regnete in Strömen und war fast finster. Hermanni zog sich den Morgenmantel an und verließ das Abteil, er ging zum Ende des Waggons vor, öffnete die Tür und spähte nach vorn zur Lok. Dort wurde eine Leiche auf die Trage gehoben, ein Mann war unter den Zug geraten, sein Körper in der Mitte durchtrennt, eindeutig Selbstmord. Sicher ein bedauernswerter Arbeitsloser, sagten die Leute mitleidig, während sie aus den offenen Türen schauten. Als der Leichnam an Hermannis Tür vorbeigetragen wurde, floss das Blut des unglücklichen Kerls unter der Decke hervor und tropfte auf den Schotter, wo es sich sofort verteilte und zusammen mit dem Regen von der Erde aufgesogen wurde.
    Hermanni kamen die Worte in den Sinn, die die Pfarrer bei der Beerdigung zu sagen pflegten: Von der Erde bist du genommen, zu Erde sollst du wieder werden.
    Den Zielbahnhof Kemijärvi erreichten sie am Morgen. Sie überlegten, ob sie in der Stadt bleiben oder gleich zum Pyhätunturi oder nach Luosto

Weitere Kostenlose Bücher