Vom Himmel in Die Traufe
wäre, womöglich bis zu zweihundert Mark pro Kilo, was auch sicherlich angemessen wäre«, vermutete Ragnar und wünschte dann eine Gute Nacht. Bevor er in sein Zimmer ging, erkundigte er sich noch:
»Bleiben wir für längere Zeit hier in Kemijärvi, oder fahren wir morgen weiter?«
»Hauen wir ab zum Pyhätunturi.«
Ragnar Lundmark wollte für diesen Zweck ein Auto mieten, aber Hermanni Heiskari fand es lustiger, mit dem Taxi zu fahren, denn so war er es als fliegender Holzfäller gewöhnt. Wenn er Geld hatte, brauste er im Taxi durch die Gegend; wenn er knapp bei Kasse war, nahm er den Linienbus, und war er ganz klamm, ging er auch schon mal hundert Kilometer zu Fuß. Ein Holzfäller trampte nie.
Aus Ragnars Sicht war es entschieden zu viel verlangt, solche Strecken zu Fuß zurückzulegen. In jungen Jahren war er einmal von Inkoo zur Tanzbühne von Degerby zu Fuß gegangen, elf Kilometer waren es gewesen. Nie wieder hatte er später bei ähnlichen Anlässen auf ein Fortbewegungsmittel verzichtet, der einsame Fußmarsch war eine zu schlimme Erfahrung gewesen. Hermanni erklärte, dass für einen Holzfäller wie ihn ein Hundertkilometermarsch durch die Wildmark nichts Besonderes sei, wenn er aber mit leeren Taschen eine öffentliche Straße entlangtraben müsse, würde ihm das aufs Gemüt schlagen.
»Wenn ein Holzfäller auf der Landstraße trabt, wissen alle sofort, dass der Kerl keinen Pfennig Geld hat. Das macht einen fertig.«
Der Fahrer des Taxis war zufällig Hermannis alter Bekannter Martti Husula, mit dem er einst in den Siebzigerjahren zusammen in Pelkosenniemi Bäume gefällt hatte. Husulas Mutter war in der vergangenen Woche gestorben, sein Vater war bereits im Krieg gefallen.
»Bin mächtig froh, dass Mutter noch auf die Kanarischen Inseln gereist ist, bevor sie starb. Sie war im Juni zwei Wochen dort, und angeblich hat sie dermaßen gesoffen, dass man sie jeden Abend ins Hotel tragen musste.«
Ein Taxifahrer verdient heutzutage wenig. Seit die Maschinen den Forst beherrschen und die großen Waldarbeitsplätze weggefallen sind, gibt es nicht mehr genug fliegende Holzfäller, die im Taxi herumgondeln können. Die Fahrer müssen sich mit zufälligen Touren und winterlichen Schülertransporten begnügen.
»Hauptsächlich kutschiere ich Alte und Kranke. Die Säufer fahren selber und werden nur selten erwischt, denn Polizisten gibt es hier noch weniger als Ärzte.«
Hermanni erklärte, dass er persönlich gern mit dem Taxi fuhr, er tat es immer, wenn er Bedarf hatte und gut bei Kasse war.
»Du vielleicht, aber von den alten Holzfällern gibt es nur noch ganz wenige, das reicht nicht zum Leben.«
Im Hotel am Pyhätunturi nahmen sie wieder zwei Zimmer. Platz war genug, denn der Regen hielt die Urlauber fern. Am Abend trafen sich die Reisegefährten erneut zu einem guten Essen im Restaurant. Ragnar Lundmark bestellte einen Schneehuhntopf. Hermanni erzählte, dass er mal vorübergehend hier oben im Norden Schneehühner gefangen hatte. Er hatte als Tagelöhner für einen Lappländer gearbeitet, war täglich fünf Meilen auf Skiern den Postweg abgelaufen und hatte seinem Arbeitgeber am Abend einen Sack mit Schneehühnern gebracht. Der Alte hatte sie nach Norwegen verkauft, seinen Knechten aber billige Köhler zu essen gegeben, die er auf dem Rückweg aus Norwegen mitgebracht hatte.
Hermanni konnte perfekt die Stimme eines Schneehuhns nachahmen. Die Serviererin war sehr verwundert und öffnete schnell sämtliche Türen, um den verirrten Vogel wieder in die Freiheit zu entlassen.
Das Hotel am Pyhätunturi hatte eine so gute Auswahl an Weinen, dass Ragnar zum Schneehuhnbraten eine Flasche elsässischen Dopff-Weißwein bestellen konnte. Er erzählte, dass viele Leute zu Wildgerichten aromatische Rotweine mit reichem Geschmack tranken, wovon er selbst aber im Alter abgekommen war. Ein abgerundeter Weißwein ließ dem leicht wilden Geschmack, speziell von Vögeln, genügend Raum, sodass das Ganze zu einer kulinarischen Einheit verschmolz.
»Selbstverständlich muss man berücksichtigen, welche Soße zum Fleisch gereicht wird. Wenn der Vogel in einer sehr würzigen Soße zubereitet wurde, passt Weißwein natürlich nicht, dann muss man einen Rotwein wählen, der mit der Soße harmoniert.«
Hermanni Heiskari schnitt sich ein Stück vom mürben Fleisch ab und trank weichen Wein dazu. Er seufzte zufrieden und konnte nicht umhin zu bemerken:
»Das herrschaftliche Leben hat wahrlich Stil. Wie anders geht es da
Weitere Kostenlose Bücher