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Vom Himmel in Die Traufe

Titel: Vom Himmel in Die Traufe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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weiterfahren sollten. Hermanni wollte bleiben, und damit war die Sache entschieden.
    Sie fuhren mit dem Taxi durch den Regen zum Hotel Koilliskunta . Unterwegs fragte Ragnar, wie nahe sie jetzt dem Berg Korvatunturi waren. Befand sich das Weihnachtsmannland hier in Kemijärvi oder anderswo? Ragnar Lundmark war nie zuvor in dieser Gegend gewesen.
    Hermanni sagte ihm, dass sich der Korvatunturi gut hundertfünfzig Kilometer nordöstlich von Kemijärvi befand. Es war ein ganz gewöhnlicher Fjäll, und er lag außerdem an der Grenze zwischen Finnland und Russland. Das Weihnachtsmannland oder vielmehr Verkaufsstätten für weihnachtlichen Kitsch gab es in den verschiedensten Ge­genden Lapplands, die größten Läden fand man am Polarkreis nördlich von Rovaniemi.
    »Vor zwei Jahren besuchte ich einen Kurs für Wildmarkführer in Rovaniemi. Es war eine Arbeitsförderungsmaßnahme. Dort wurde alten Holzfällern beigebracht, wie man ein Lagerfeuer anzündet. Ich wandte die Zaubertricks der alten Lappen an, und schon brannte das Feuer.«
    Ragnar wollte mehr über diese Tricks der Einheimischen wissen. Hermanni verriet ihm, dass man trockene Holzscheite zu einem Kegel aufschichtete, fünf Liter Benzin darübergoss und ein brennendes Streichholz hinterherwarf, und da musste es dann schon mit dem Teufel zugehen, wenn der Zauber nicht wirkte.
    In dem Kurs war auch der Service am Kunden Thema gewesen. Die Teilnehmer waren darauf vorbereitet worden, als vielseitige Wildmarkführer den Touristen draußen in der Natur ein exotisches Programm zu bieten, im Bedarfsfall sollten sie auch eine lappische Nojde oder, falls Kinder dabei waren, den Weihnachtsmann spielen. An den Abenden hatten die Kursteilnehmer entsprechende kleine Sketche eingeübt, um sich die Inhalte besser zu merken.
    Hermanni war an den gemeinsamen Abenden gern als Weihnachtsmann aufgetreten, war er doch der älteste Teilnehmer des Kurses und somit für die Rolle prädestiniert gewesen. Die anderen hatten die übliche Frage nach dem Alter des Weihnachtsmannes gestellt, und Hermanni hatte geantwortet, dass er mittlerweile schon tausend Jahre auf dem Buckel hatte. Nun, und welche Geschenke hatte der Weihnachtsmann in alten Zeiten an die Kinder verteilt?
    »Mich ritt der Teufel, und ich fing an, all die Geschenke der Jahrtausende aufzulisten, die die finnischen Kinder erhalten hatten. Ich erklärte, dass der Weihnachtsmann während der Kreuzzüge noch jung gewesen war, und trotzdem waren aus Schweden reichlich westliche Geschenke über das Meer nach Finnland gebracht worden, mehr, als man sich dort gewünscht hatte. Viele Finnen hatten ihren Kopf eingebüßt, ehe das Volk den neuen Glauben und die Weihnachtsbotschaft angenommen hatte.
    Hermanni Heiskaris Weihnachtsmann war mit seinen Geschenken auch an den Tagen des großen Unfriedens und vor allem während des Keulenkrieges unterwegs gewesen, als Hunderte Männer wie die Bullen im Schnee abgeschlachtet wurden. Und erst die internationalen Weihnachtsfeste im Dreißigjährigen Krieg mit all den dazugehörigen Geschenken! Der finnische Weihnachtsmann war mittendrin gewesen, als durch das ganze achtzehnte Jahrhundert hindurch Intrigen gesponnen und Land geraubt wurde, und auch in den hundert Jahren unter russischer Herrschaft war er aktiv gewesen. Es gab Jahre des Todes, in denen der Weihnachtsmann zum Fest mit der Sense erschien. Dann im zwanzigsten Jahrhundert erlebte er den roten Aufstand und den weißen Terror, die Pferderevolte, die Revolte von Mäntsälä, die Fettrevolte …, und schließlich folgten der Winterkrieg, der Fortsetzungskrieg, die Gebietsabtretungen, die Evakuierungen, die Reparationen, der große Frieden und die Sprachlosigkeit der Kekkonen-Ära.
    »Ich forderte die anderen sogar noch auf: Kommt, singt ein Lied für den Weihnachtsmann! Und ich stimmte an: Morgen, Kinder, wird’s was geben … Aber es kam keine richtige Weihnachtsstimmung auf.«
    Man hatte Hermanni die Weihnachtsmannmaske heruntergerissen und ihn aufgefordert, den Mund zu halten. Im Abschlusszeugnis des Kurses waren seine Leistungen in den Fächern Kooperationsfähigkeit und künstlerisches Einfühlungsvermögen nicht sehr positiv bewertet worden.
    Zum Mittag aßen die beiden Männer in einem Restaurant in Kemijärvi die »Botschaft der vier Winde«: Man servierte ihnen eine große ovale Schale, darin lag an einem Ende gerösteter Lachs, es folgten zur Mitte hin mehrere Schneehühner, daneben Bratenstücke vom Rentier und schließlich

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