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Vom Himmel in Die Traufe

Titel: Vom Himmel in Die Traufe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arto Paasilinna
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den bedauernswerten Arbeitslosen.«
    Ragnar Lundmark wollte wissen, was die Arbeitslosen im Innersten über ihre Situation dachten. Hatten sie wirklich keine Zukunftshoffnung und keine seelische Festigkeit? Er hatte den Eindruck gewonnen, dass diese Leute bis Mittag im Bett lagen, und wenn sie sich dann endlich aufrappelten, schleppten sie sich apathisch in die nächste Eckkneipe, um mit anderen ebenso elenden Versagern Bier zu schlürfen. Dann quollen sie auf wie russische Ma­troschkas, und sowie sie nur ein bisschen Geld in die Finger bekamen, soffen sie wie verrückte Kosaken.
    Hermanni Heiskari bestätigte, dass Arbeitslosigkeit deprimierte und ständiger Geldmangel wütend machte. Aber die meisten Arbeitslosen suchten sich irgendeine Beschäftigung, da sie schließlich über genügend Zeit verfügten. Sie bauten Vogelhäuschen, teerten Boote, angelten Saiblinge oder retteten nerzbekleidete steinreiche Reederinnen, die vom Himmel auf das Eis großer Seen fielen. Trotzdem erlahmten viele durch die Untätigkeit und lagen einfach auf dem Sofa, und wer sich einmal an diesen bequemen Lebensstil gewöhnt hatte, kam nicht so schnell wieder davon los.
    Er selbst, so Hermanni, hatte nie herumgelegen, das erschien ihm irgendwie nicht natürlich.
    Ragnar fand, dass die finnischen Arbeitslosen rechte Schlappschwänze sein mussten, da sie keinen Aufstand anzettelten.
    Hermanni Heiskari hielt seinen Weißwein gegen das Licht, ließ die Flüssigkeit in dem schlanken Glas blinken und bekannte dann:
    »Da wir gerade beim Thema sind, kann ich Ihnen verraten, dass ich schon seit einigen Jahren rein hobbymäßig den Volksaufstand vorbereite.«
    Hermanni erklärte, dass er eigentlich ein vom Staat bezahlter Revolutionär sei, denn er lebte ja hauptsächlich vom Arbeitslosengeld und konnte sozusagen nebenberuflich die Revolte planen. Er hatte erkannt, dass die halbe Million Arbeitsloser zusammen mit all jenen, die auf andere Weise aus ihrer Lebensbahn geworfen worden waren, insgesamt mindestens eine Million Menschen, eine verborgene Armee darstellten, die eine schreckliche Kraft hätte, wenn jemand sie freisetzte.
    »Ich denke an eine Art Volksarmee, die dazugehörigen operativen und taktischen Pläne habe ich ausgearbeitet. Sie sind ja Oberst, könnten Sie die Pläne prüfen?«
    Ragnar lachte. Diese lappländischen Kerle hatten einen sehr speziellen Humor, das war mal Fakt.
    »Trinken wir also auf den Aufstand«, sagte er feixend und stieß mit Hermanni an.
    »Auf den künftigen Bürgerkrieg«, antwortete Hermanni Heiskari. Seine Miene war dabei allerdings todernst.

12
    Nach ein paar Tagen reisten die beiden nach Luosto weiter, wo sie wieder Schneehuhn speisten – diesmal Schneehuhnbrust in Kognak-Wild-Soße. Die Soße war, außer mit Kognak, nur mit ein paar Wacholderbeeren und Rosmarin gewürzt, zusätzlich wurde in einem gesonderten kleinen Schälchen Ebereschengelee gereicht. Diesmal nahmen sie vorweg keinen Schnaps, sondern tranken zum Essen einen leichten Chablis aus Burgund.
    Zur Nachspeise, einem Parfait mit Moltebeerengelee, ge­nossen sie einen Moltebeerenlikör, und schließlich beendeten sie die Mahlzeit mit schwarzem Kaffee und ein paar Kognaks.
    Es war bereits später Abend, draußen fiel leiser Regen. Vor dem dunklen Hintergrund des Waldes zeichneten sich die grauen Gestalten zweier Rentiere ab. Sie standen durchnässt und mit hängenden Köpfen hinter dem Parkplatz, Insekten hatten sie den ganzen Sommer hindurch geplagt, trotz des regnerischen Wetters. Hermanni erzählte, dass nach dem Tode eines alten Holzfällers dessen Seele in einem Rentier weiterlebte.
    »Wer mögen die armen Viecher drüben am Waldrand sein? Eines von ihnen ist vielleicht Kurko, der König der Wälder. Ein Quartalssäufer erster Güte, im nüchternen Zustand verrückt nach Arbeit, und betrunken nur verrückt.«
    Ragnar meinte, dass das zweite Rentier der legendäre Schmucke Jussi sein könnte, aber Hermanni war der Meinung, dass der nicht mal nach seinem Tod so jämmerlich aussehen würde. Eher wäre er ein prächtiger wilder Bock. Dann fiel ihm ein, dass der Schmucke Jussi als Folge der Kinderlähmung ein verkrüppeltes Bein gehabt hatte und dass er auch sonst recht hässlich gewesen war. Falls der Schmucke Jussi im Augenblick seines Todes zu einem wilden Ren geworden war, so hatte das unter Umständen ein verkürztes Hinterbein.
    Die beiden Männer saßen an einem Seitentisch des Restaurants, die Nachbartische waren leer. Ragnar Lundmark

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