Vom Himmel in Die Traufe
kam jetzt auf den Volksaufstand zu sprechen, den Hermanni unlängst erwähnt hatte, und fragte geradeheraus, ob diese Revolte der Arbeitslosen ein Scherz und damit der humorvolle Abschluss eines angenehmen Abends gewesen war.
»Für mich ist der Gedanke durchaus nicht zum Lachen. Ich plane diesen Krieg schon seit einigen Jahren, und er ist alles andere als ein Scherz.«
Ragnar fand die Idee bedenklich. Hatte denn die finnische Arbeiterklasse gar nichts aus den Ereignissen von 1918 gelernt? Musste das Volk erneut zu einem blutigen Bürgerkrieg angestachelt werden?
Darauf erklärte Hermanni, dass es diesmal nicht um die Arbeiterklasse ging, sondern, im Gegenteil, um die Klasse der Arbeitslosen. Ein Blutvergießen wünschte auch er sich nicht, aber andererseits war es unmöglich, einen Krieg oder auch nur einen Aufstand zu planen, der unblutig wäre.
»Das ist es ja gerade. Man müsste mit blauen Flecken davonkommen und auch noch den Sieg einfahren«, sinnierte Hermanni Heiskari über seinen Krieg.
Bei einem Glas Kognak ließen sich leicht Kriegspläne schmieden. Wie viele Kriege waren wohl durch das inspirierende Aroma des Kognaks initiiert worden? In Ragnars und Hermannis Gläsern blinkte französischer Courvoisier, eigentlich norwegischer, wie Ragnar erwähnte, denn die Norweger hatten nach dem Zweiten Weltkrieg die Destillationsanlage und die Marke gekauft. Natürlich wurde der Courvoisier nach wie vor in Frankreich hergestellt, denn im hohen Norden gedieh die Traube ja nicht. Courvoisier war, soweit sich Ragnar erinnerte, Napoleons Lieblingsgetränk gewesen, er hatte sich einen Vorrat auf dem Schiff mitgenommen, mit dem er ins Exil fuhr. Das Getränk hatte also eine ausgeprägte militärische Vergangenheit.
Hermanni war der Meinung, dass den Arbeitslosen eine wirkliche Beschäftigung geboten werden musste, und die brachte ein Aufstand stets mit sich. Die Leute mussten anderes zu bedenken haben als die ewige Geldknappheit und das Gefühl des eigenen Versagens.
»Ist ein Krieg nicht dennoch ein zu starkes Mittel gegen das Versagen? Im Krieg wird mehr als nur die Zeit totgeschlagen«, gab Ragnar Lundmark zu bedenken.
»Für einen Oberst sind Sie ziemlich sentimental. Ich hatte gedacht, dass Sie sich mit mehr Eifer an der Planung beteiligen.«
»Nicht alle Oberste sind kriegswütig.«
»Aber bedenken Sie, nach einem geglückten Aufstand würden Sie ohne Weiteres General!«
Ragnar fragte, ob sich Herr Heiskari zum Diktator Finnlands einsetzen lassen würde, falls der irrsinnige Plan gelingen würde. Hermanni verneinte den Gedanken. Auf gar keinen Fall.
»Warum planen Sie dann den Volksaufstand?«
»Als Arbeitsloser hat man jede Menge Zeit, so konnte ich diese Vorbereitungen treffen, damit wir dann im Ernstfall gewappnet sind. Spontane Revolten enden immer mit einer Niederlage, nur die gut geplanten sind erfolgreich.«
Ragnar Lundmark fragte sich, ob Hermanni Heiskari vielleicht nur ein einfacher Mann aus dem Volk war, der sich an einem wahnwitzigen Gedanken ergötzte, um ihn, Ragnar, zum Besten zu halten. Aber egal, warum sollte er sich nicht an diesem Spiel beteiligen, solange es nur ein Tischgespräch zwischen ihnen beiden blieb.
Hermanni erzählte, dass die Arbeitslosen nach bewährter Revolutionsmanier kleine voneinander getrennte Zellen bilden könnten, die drei oder höchstens vier Mitglieder und keinen Kontakt zu den anderen Zellen hätten, sondern von außen gelenkt würden. Die heutige Druck- und Datentechnik eigne sich vorzüglich für revolutionäre Aktivitäten. Sogar das Internet konnte man nutzen, und die Druckkosten wären nicht hoch. Handys, Radiosender, sogar die Fernsehwerbung und die Presse ließen sich unter bestimmten Voraussetzungen für die Verbreitung der Idee einspannen.
»Unter den Arbeitslosen gibt es gut ausgebildete Spitzenkräfte aus allen wichtigen Branchen, speziell Computerfachleute und Journalisten in rauen Mengen. An Offizieren herrscht allerdings Mangel, sodass Sie als Oberst jetzt die Chance Ihres Lebens erhalten.«
Ragnar Lundmark wand sich, als er spürte, wie die ihm übertragene Verantwortung weiter wuchs.
»Ich bin ja bereits aus dem aktiven Dienst ausgeschieden.«
»Umso besser, dann ist der Posten kein Hindernis, wenn die Kanonen in Stellung gebracht werden.«
Hermanni Heiskari erläuterte seine Pläne weiter:
»Den revolutionären Zellen der Arbeitslosen werden sofort interessante Aufgaben übertragen. Sie müssen natürlich ideologische und militärische
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