Vom Himmel in Die Traufe
letzter Zeit tatsächlich in unglaublichen Mengen geschluckt, dabei ging er sogar so weit, mich zu zwingen, mit ihm in diesen zweifelhaften Pubs zu speisen und dazu ebenfalls Bier zu trinken, das ich wahrlich nicht besonders schätze. Aber da ich all mein Geld an ihn verloren habe, konnte ich mich diesem primitiven Lebensstil, der weiter anhält, nicht widersetzen. Es ist sogar vorgekommen, dass sein Smoking über und über mit Lehm beschmiert war, wenn er ins Hotel heimkehrte. Die Leute in der Wäscherei wunderten sich, wie Kleidungsstücke in einen derartigen Zustand geraten können, und sie vermuteten, dass der Träger vielleicht an einem Schlammringkampf teilgenommen hat.
Bei meinen Versuchen, Hermanni Heiskari zur Vernunft zu bringen und zum Verlassen Irlands zu bewegen, erinnerte ich ihn schließlich an seine Aufstandspläne. Darauf sagte er nur, dass es im Krieg nicht auf einen einzelnen Mann ankommt. Du kannst mir glauben, dass ich sehr bestürzt war.
Hier in Irland sind wir laut Hermanni nicht nur, um Bier zu trinken, sondern auch um Erfahrungen im Stadtkrieg zu sammeln. Unlängst nämlich grunzte er, dass er beabsichtigt, nach Belfast zu fliegen, um dort Terrorismus und Straßenkämpfe und alles, was es auf diesem Gebiet sonst noch gibt, zu studieren. Als ich von diesem Vorhaben hörte, beschloss ich, dich umgehend zu benachrichtigen und dafür zu sorgen, dass dir dieser Brief mit der Kurierpost des Außenministeriums zugestellt wird. Nun warte ich bangen Herzens auf deine Stellungnahme und hoffe zugleich, dass du mir ein wenig Geld schickst, denn ich bin momentan völlig mittellos.«
Ragnar verbrachte drei Tage in Anspannung und Ungewissheit, und schließlich spie sein Laptop ein galliges Telefax aus, in dem Lena Lundmark ihre barschen Anweisungen gab:
»Grüß dich, werter Onkel. Vielleicht übertreibst du deine Schwierigkeiten, die aus deiner alten Spielleidenschaft herrühren. Auf jeden Fall muss Schluss sein mit dem ausschweifenden Leben, dergleichen gedenke ich nicht zu finanzieren – das musst du dir selbst und auch Hermanni klarmachen. Sag ihm, dass du ins örtliche Polizeirevier marschieren, ihn wegen Glücksspiels anzeigen und später vor Gericht gegen ihn aussagen willst, falls er nicht sofort mit dem Blödsinn Schluss macht und sich wieder wie ein Gentleman benimmt.
Andererseits verstehe ich, dass ein fliegender Holzfäller, der ein freies Leben gewöhnt war, irgendwann genug davon hat, kleinliche Benimmregeln zu lernen, besonders, wenn dazu auch Paartanz mit einem alten Homo deines Schlages gehört. Entschuldige, aber so ist es nun mal. Außerdem, teurer Freund, hast du bei deiner Schimpfkanonade gegen Hermanni das Wichtigste vergessen. Er hat mir das Leben gerettet. Er ist ein Lebensretter, und du musst verstehen, dass mein Leben immerhin um einiges kostbarer ist als ein paar irische Bier. Wie auch immer, ihr seid alle beide nicht unschuldig, und ich überlege schon die ganze Zeit, wie ich euch zur Räson bringen kann. Ich muss euch irgendwie bestrafen. Zunächst aber schicke ich wieder mal etwas Geld und wünsche euch ein nüchternes und ruhiges Leben. Deine Nichte Lena.«
24
Als Hermanni Heiskaris Kopf endlich klar wurde, begriff er, dass die Lage ernst war. Die Erkenntnis kostete ihn Zeit und auch Überwindung. Er musste mit dem Saufen aufhören, wenn er weiter auf Kosten seiner reichen Braut durch die Welt reisen wollte. Also gab er seinem Butler das Geld zurück, das noch übrig war, und versprach, künftig überlegter zu handeln. Ragnar Lundmark wünschte sogar, dass er eine demütige Bitte um Verzeihung an Lena nach Maarianhamina faxte. Aber das ließ Hermannis Stolz nicht zu. Stattdessen schickte er ihr die Botschaft, dass er beabsichtige, in die Südsee zu fliegen, falls das genehm wäre. Bald kam ein Fax mit der Erlaubnis zur Reise, allerdings unter der Bedingung, dass die beiden Herren via Helsinki und Tokio ans andere Ende der Welt fliegen sollten. Beim Zwischenstopp in Helsinki wünschte Lena sie dringend zu treffen.
Sowohl Hermanni als auch Ragnar ahnten und fürchteten, dass strenge disziplinarische Maßnahmen auf sie warteten. Und tatsächlich bekamen sie ihr Fett weg. Allerdings war inzwischen noch Schlimmeres passiert, als sich das Trio Ende Oktober auf dem Flughafen Seutula traf. Lena hatte im neuen Teil des Terminals einen kleinen Salon gemietet, in dem die beiden Streuner erst mal in allen Einzelheiten über ihre Reise berichten mussten, und danach erzählte Lena
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