Vom Internet ins Ehebett (German Edition)
heute Abend in aller Ruhe über einige Singleseiten zu surfen. Vielleicht dem einen oder anderen, der dort inseriert hatte, zu schreiben. Um nichts in aller Welt wäre ich auf den Gedanken gekommen, selbst ein Inserat zu formulieren. Ich sagte es Bea.
»Aber warum denn nicht? Wenn du das Inserat selbst schreibst, dann kannst du die Geschicke lenken.«
»Zuerst brauche ich ein anonymes Postfach. Ich werde die Jungs bitten, mir morgen eins einzurichten.« Ich hoffte, damit Zeit zu gewinnen.
»Warum willst du bis morgen warten? Dazu brauchst du doch nicht die Hilfe deiner Söhne. Das machen wir mit links.«
Und so kam es, dass ich eine gute Stunde später als »Gularo« im Internet auftauchte. Der Nickname klang vielleicht etwas seltsam, aber er war der erste, bei dem der Computernicht warnend mit roter Schrift verkündete: »Dieser Name wurde bereits von einem anderen Teilnehmer gewählt.«
»Wie willst du heißen?«, hatte mich Bea gefragt.
Rosalind, Roli, Linda schieden von vornherein aus. Einen zweiten Vornamen hatte ich nicht, und einen anderen weiblichen Namen zu wählen, kam mir seltsam vor. »Sonnenblume« hätte mir gefallen. War natürlich schon längst vergeben. Der Computer riet mir, mein Alter dranzuhängen. Aber »Sonnenblume42«? Nein, das gefiel mir absolut nicht. Ähnlich erging es mir mit Erdbeere, mit Sommersonne, mit Sommerwiese, mit Sommerwind. Ich freute mich wirklich schon auf den Sommer, das war unschwer zu erkennen. Die nassen, kalten, trüben Tage hingen mir längst zum Hals heraus. Doch was auch immer ich mit »Sommer« versuchte, bei jedem Wort verweigerte der Computer sein Einverständnis.
Bea ließ sich nicht beirren. »Wohin reist du am liebsten?«
Doch auch damit hatten wir kein Glück. Vienna, Roma, Venezia, Toskana, alles Namen, die schon vergeben waren.
»Was isst du am liebsten?«
»Ich kann mich doch nicht ›Tafelspitz‹ nennen«, entgegnete ich entrüstet, »oder ›Saltimbocca alla Romana‹.«
Bea lachte laut auf. »Oder wie gefällt dir ›Schweinefleisch süßsauer‹? Ich bin sicher, diesen Namen hat noch niemand registriert.« Mir kam dieser Name nur absurd vor.
Bea brachte er jedoch auf eine Idee: »Ich hab’s: Wir nennen dich hiermit ›Gularo‹!« Sie war sichtlich zufrieden mit ihrer Entscheidung. Und der Computer hatte zum ersten Mal nichts dagegen einzuwenden.
»Gularo?«, wiederholte ich. »Das klingt nicht übel. Allerdings: Das heißt doch nichts.«
»Und ob das etwas heißt!« In Beas Augen blitzte der Schalk. »Wenn du es wirklich wissen willst: ›Gularo‹ heißt ›Schweinefleisch süßsauer‹ auf Chinesisch. Zumindest hat es für mich so geklungen, als ich letztes Jahr mit Richie in Shanghai war. Es ist eines der wenigen Wörter, die ich mirgemerkt habe. Nur ein anderes weiß ich noch: ›Nihao!‹, das heißt ›Guten Tag!‹.«
»Wunderbar.« Meine Begeisterung hielt sich in Grenzen. Aber ich gab mich geschlagen. Und so kam es, dass ich mir den wunderschönsten Nickname ausgemalt hatte und als »Schweinefleisch süßsauer« endete. Zum Glück würde niemand je die wahre Bedeutung dieses Wortes erraten. Wem anders als Bea hätte so ein Nickname einfallen können?
In diesem Augenblick läutete es an der Tür, und der Pizzamann brachte seine dampfend heißen Pakete. Bea folgte mir in die Küche. Ich nahm die Teller aus dem Schrank, und Bea verteilte darauf die heißen Fladen. Bald saßen wir einmütig kauend an meinem Küchentisch. Die Jungen hatten sich in Tims Zimmer verzogen. Ich weiß, ich weiß, ein gemeinsames Abendessen ist gut für die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen. Aber an diesem Abend hatten die drei etwas besonders Wichtiges für Charlys Überraschungsparty zu besprechen. Ich hätte nicht den Kopf gehabt, ihren Plänen zu folgen. Mein Kopf war bei Wolfram. Und bei Gularo. Da musste die Entwicklung meiner Söhne ausnahmsweise einmal zurückstehen.
Bea hatte den Laptop zum Küchentisch geschleppt und war unter die Tischplatte gekrochen, um den Stecker in die Steckdose zu schieben. »Also«, sie tauchte mit hochrotem Gesicht wieder auf, »was soll in deinem Inserat stehen?«
»Ach, sind wir jetzt wieder bei meinem Inserat?« Ich tat, als sei ich vollauf mit meiner Pizza beschäftigt.
»Nun sag mal, Roli, was sind denn so deine Stärken? Wir müssen dich ins rechte Licht rücken. Damit möglichst viele anbeißen.« Bea schnappte sich den Block, auf dem ich immer meine Einkaufslisten schrieb. In der rechten Hand hielt sie
Weitere Kostenlose Bücher