Vom Internet ins Ehebett (German Edition)
Schönling Banderas glatt an die Wand gespielt.«
Sie tippte und ergänzte: »Johnny Depp«.
»Lieber nicht«, wandte ich ein, »dann denken die, ich will einen jungen Piraten.«
»Was ist denn dein Lieblingsfilm?«, fragte sie, scheinbar ohne auf diesen Einwand einzugehen.
»Don Juan de Marco.«
»Eben. Und das sicher nicht wegen Marlon Brando. Obwohl der großartig gespielt hat«, erklärte Bea nüchtern und ließ Johnny Depp stehen.
»Lieblingsmusik?«
»Verdi, Vivaldi.«
»Verdi, Vivaldi, R.E.M., Herbert Grönemeyer«, tippte Bea.
»Das macht einen völlig falschen Eindruck.« Nun war ich schon der Verzweiflung nahe. Ein Mann wie Wolfram würde sich bei diesen Angaben nie melden.
»Wer hat sich denn stundenlang die Beine in den Leib gestanden, um Karten fürs letzte R.E.M.-Konzert zu ergattern?«, kam auch schon die nüchterne Gegenfrage. »Hobbys?«
»Theater, Reisen, Lesen, Kochen«, sagte ich. Das würde Wolfram sicher gefallen.
»Theater, Reisen, Lesen, Joggen, Inlineskaten, Flohmärkte, Kabarett«, tippte Bea, und Wolfram rückte in noch weitere Ferne.
»Wie soll dein Traummann sein? Und komm mir jetzt ja nicht wieder mit einer Beschreibung, die mich an Hubert erinnert«, sie schüttelte sich, als würde es sie gruseln.
An »gut situiert, intelligent, humorvoll, gebildet« hatte sie schließlich nichts auszusetzen. Und setzte noch »warmherzig und optimistisch« hinzu. Einverstanden.
»Was suchst du: Heirat, Partnerschaft, Affare, Seitensprung, E-Mailbekanntschaft?«
Diese Frage war rein rhetorisch, denn Bea hatte bereits »Heirat« und »Partnerschaft« angeklickt. »Was erwartest du von einem Mann?«
»Dass er weiß, was er will. Und dass er mir Geborgenheit schenkt.«
»… und dass wir zusammen lachen können«, ergänzte die Unverbesserliche. »Was du liebst, wollen die wissen.«
»Meine Kinder.« Natürlich kamen die an erster Stelle. »Meine Freundinnen, gute Gespräche, die Toskana, die Sonne im Frühling und warmen Sommerregen.«
»… und guten Sex«, ergänzte Bea und schlug vor, die Kinder wegzulassen, denn dass ich Kinder hatte, würde »Er« früh genug erfahren. Diesmal blieb ich hart: Die Kinder blieben drin, der Sex kam raus. Denn das mit dem Sex würde »Er« wirklich früh genug erfahren.
Ein Klick und der Fragebogen war abgeschickt. Bea seufzte befriedigt und schenkte sich den letzten Rest des Rotweins in ihr Glas. »Na, dann schauen wir mal. Ich kann mir nicht denken, dass es morgen schon viele Zuschriften gibt. Aber in den nächsten Tagen wird deine E-Mailbox überquellen.«
Mir wurde ganz bang bei diesem Gedanken.
X
Natürlich hatte ich vorgehabt, sofort am nächsten Morgen in meine E-Mailbox zu schauen. Doch mein Wecker hatte sich gerade diesen Morgen ausgesucht, um seinen Geist aufzugeben. Oder hatte ich bloß am Abend vergessen, ihn zu stellen? Als ich trunken vom Wein und vor allem von der bangen Vorfreude darauf, was ich mit meiner Einschaltung auf der Singleseite vielleicht ausgelöst hatte, glaubte, kein Auge zumachen zu können. Und dann doch rasch eingeschlafen war? Jedenfalls verschlief ich am nächsten Tag. Gegen halb acht stand Sebastian an meinem Fußende. Ich schreckte auf, hastete ins Badezimmer, zog mich an und nippte im Vorbeigehen an einer Tasse abgekühlten Kaffees, den Frau Holzinger für mich bereitgestellt hatte. An einen Blick ins Internet war nicht zu denken.
In der Praxis war die Hölle los. Ich hatte es zwar noch geschafft, ganze fünf Minuten vor Beginn zu erscheinen. Doch natürlich war ich die Letzte der Kollegen. Interessanterweise hatten sich alle beim Empfang versammelt und betrachteten nun die Eingangshalle, als sähen sie sie zum ersten Mal.
»Ist etwas passiert?« Ich war noch etwas atemlos, denn ich hatte zwei Stufen auf einmal genommen. Unsere Praxis war in einem sehr gepflegten, eleganten Altbau untergebracht. Einen Lift gab es hier nicht.
»Frau Petermann hat gekündigt«, hörte ich mehrstimmig.
»Schon?« Na toll, die Sekretärin am Empfang hatte erst seit zwei Monaten bei uns gearbeitet. Gerade hatten wir sie so weit eingeschult, dass wir dachten, sie könnte ihre Arbeit selbstständig erledigen, da verließ sie uns. Wie ihreVorgängerin. An unserem Betriebsklima konnte es nicht liegen. Wir gingen sehr freundschaftlich und wertschätzend miteinander um. Unsere langjährige Empfangsdame Frau Burghart war mehr als zwanzig Jahre für unsere Praxis tätig gewesen, bevor sie in den wohlverdienten Ruhestand getreten
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