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Vom Kämpfen und vom Schreiben

Vom Kämpfen und vom Schreiben

Titel: Vom Kämpfen und vom Schreiben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carla Berling
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Brief geschrieben haben kann. Wer weiß denn, dass ich Markensachen trage? Ich ziehe ja nichts an, wo der Designer außen draufsteht! Nur jemand, der in unserer Wohnung war, kann wissen, was in den Kinderzimmern steht. Seit der Kleine den Gameboy hat, waren nur meine Schwester, meine Mutter und Kamilla da. Sie hatte uns kurz nach unserem Einzug besucht, als sie wegen eines Termins in Hannover auf der Durchreise war.
    Ich erfahre nie, wer den Brief verfasst hat, kann aber wegen der privaten Dinge, die darin stehen, nur Kamilla in Betracht ziehen.
    Am Ende wird der Verlagsvertrag zwischen mir und dem Kajaki-Verlag gelöst, alle Rechte fallen an mich zurück, die Schulden werden gegengerechnet und die Geschäftsbeziehung zwischen dem Kajaki-Verlag und mir ist beendet.
    Die Neuauflage des Kinderbuches im Lübbecker Terminus Verlag ist ebenso ein Ladenhüter wie die Erstausgabe beim WD-Verlag. Ich bin grandios gescheitert.

Praktikantin, 44
    Inzwischen lebe ich im Rheinland. Allein.
    Hardy und ich haben uns getrennt. Wir haben es nicht geschafft, sind mürbe geworden durch den Alltag, die Sorgen, die Armut und die vielen Rückschläge. Er ist wieder arbeitslos, und diesmal stehe ich zum ersten Mal auch kurz davor. Ohne Auto kann ich in meiner Stadt, in meinem Beruf, nichts mehr bewegen, kann nicht genug verdienen.
    Wir entscheiden, dass ich es in einer großen Stadt versuche, woanders mein Glück mache, genug verdiene, um Unterhalt zu zahlen. Die Kinder bleiben bei ihm – sie sollen in der gewohnten Umgebung bleiben, die Schule nicht wechseln, immer umsorgt sein.
    Hardy und ich schaffen es, gute Freunde zu bleiben, und erziehen die Kinder weiterhin gemeinsam.
    Ich komme am 3. November 2003 in der neuen Stadt an, Hardy bringt mich hin. Mit ein paar alten Möbeln stehe ich in einer winzigen, schäbigen Wohnung. Bevor Hardy zurückfährt, umarmen wir uns und weinen beide bitterlich. Als ich winkend am Straßenrand stehe und hinter dem gemieteten Bulli herschaue, fühle ich mich schrecklich verlassen.
    Wenige Tage später kommt die furchtbare Nachricht: Der Job, für den ich nur eine mündliche Zusage hatte, ist geplatzt.
    Jetzt sitze ich hier und kann nicht zurück. Ich habe meine Heimatstadt verlassen, bin entwurzelt, ohne Orientierung, habe nicht gewusst, wie schmal der Grat zwischen Freiheit und Einsamkeit ist. Ich kenne niemanden in dieser Stadt, habe keine Familie um mich, vermisse meine Kinder unendlich, habe keine Freunde, kein soziales Umfeld, keine Arbeit, kein Geld, keine Perspektive.
    Meine Söhne sind alle zwei Wochen bei mir, für diese Tage lebe ich, die Kinder sind mein Ein und Alles.
    Oft stehe ich auf der Kennedybrücke und schaue in das braune Wasser des Rheins. Einmal fahre ich nach Köln und sehe von einer der obersten Etagen des Uni-Centers hinunter. Ein Schritt, eine Entscheidung, und in ein paar Sekunden hat die Qual ein Ende.
    Nicht mal das schaffe ich.
    Aus der Idee »Der siebte Seitensprung« entwickle ich vier verschiedene Versionen, jede mehr als vierhundert Manuskriptseiten lang. Zeitgleich versuche ich, einen Roman in den sechziger Jahren anzusiedeln, verzettele mich aber immer wieder und komme nie über Seite einhundertfünfzig hinaus.
    Zwischenzeitlich schreibt mich ein Fernsehregisseur aus Köln per Mail an. Er möchte einem Privatsender eine Serie anbieten, in der eine resolute Frau als Spar-Nanny auftritt. Die Super-Nanny ist zurzeit in aller Munde und hat hohe Einschaltquoten, so ein Format muss man wohl kopieren und ausschlachten, solange es läuft. Der Regisseur hat während seiner Recherchen zum Thema »Sparen« im Internet mein Ratgeberbuch gefunden, das mittlerweile nur noch gebraucht lieferbar ist.
    Wir treffen uns in Köln.
    Ich lerne eine ganze Menge über die Hierarchien und die Produktionswege des Fernsehens, zum Beispiel, dass ein Sender X die Produktionsgesellschaft Y damit beauftragt, ein Format Z zu entwickeln. Die Produktionsgesellschaft ihrerseits betraut damit einen Regisseur. Der Regisseur wiederum engagiert mich.
    Er sagt, ich bekäme pro Drehtag etwa zweihundert Euro von der Produktionsfirma, und glaubt, dass wir bestimmt zehn Tage drehen werden. Das wären zweitausend auf einen Schlag! Ich bin begeistert. Ist das mein Durchbruch? Sollte das kleine Buch, das mich zum Schluss wegen des Streits mit dem Verlag so viel Nerven gekostet hat, doch noch für etwas gut sein? Und wenn ich zweitausend Euro bekomme, dann kann ich vielleicht mit den Kindern ein paar Tage Ferien

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