Vom Kämpfen und vom Schreiben
machen? Wir waren noch nie im Urlaub.
Der Regisseur und ich tüfteln gemeinsam den Inhalt eines »Piloten« aus. Das ist eine Art Probesendung, die der Regisseur entwirft, organisiert, besetzt, dreht und schneidet. Die Produktionsfirma muss alles genehmigen und schlägt den »Piloten« dann dem Sender vor.
Wenn der Sender das Material kauft und eine Serie daraus macht, haben alle einen Job.
Der Regisseur inseriert im Internet, um Kandidaten zu finden, die ich als Spar-Nanny beraten soll. Einige Familien melden sich, aber letztlich eignet sich keine von ihnen. Nur eine Putzfrau lebt etwas über ihre Verhältnisse und würde mitspielen. Ihr Mann ist Gerüstbauer, eine Tochter in der Ausbildung zur Friseurin, die andere geht noch zur Schule.
Die Familie wohnt in einer Dreizimmerwohnung in Köln-Mühlheim. Eigentlich haben sie keine Geldsorgen, aber für den Dreh konstruieren wir die Situation, dass sie den Garten hinter der gemieteten Wohnung verschönern wollen und deswegen sparen müssen. Ich lerne, dass dieses Verfahren »scripted reality« heißt.
Wir fahren hin und besprechen Details mit der Familie, dann schreibt der Regisseur einen Drehbuchvorschlag und vereinbart mit dem Produzenten einen Termin. Ich bin dabei und werde vorgestellt, muss ein paar Fragen beantworten und bin ziemlich aufgeregt.
Der Produzent »kauft« den Vorschlag, und innerhalb weniger Minuten liegt ein Vertrag vor mir, den ich sofort unterschreiben soll. Darin steht, dass ich sechshundert Euro für den gesamten Dreh bekomme, egal, wie lange er dauert. Oh. Keine zweitausend. Aber ich habe keine Zeit zum Überlegen.
Wir drehen vier Tage bei der Familie der Putzfrau.
Ein Drehtag beginnt morgens um zehn und endet abends um acht. Die meiste Zeit verbringe ich mit Warten. Warten auf den Aufbau der nächsten Szene, warten auf die richtige Kameraeinstellung, warten, bis die anderen fertig sind. Derweil kann man nichts anderes tun als Rauchen und Kaffeetrinken. Ich finde das alles langweilig und bin froh, als die Szenen abgedreht sind.
Dann wird in einem eigens für den Dreh angemieteten Loft ein Trailer gedreht, eine Art Werbespot. Ich erfahre, was ein Location-Scout ist und dass es Leute mit tollen Wohnungen gibt, die sie ab und zu für ein paar Tausend Euro an einen Fernsehsender vermieten und davon ziemlich gut leben. Während unseres Drehs werden die Wohnungsbesitzer in einem Luxushotel untergebracht. Die Produktionsfirma hat die Möbel des Besitzers durch Requisiten ersetzt, das Wohnzimmer sieht nun aus wie ein großes Designer-Büro. An den Schreibtischen sitzen Statisten und geben sich beschäftigt, telefonieren, blättern in Ordnern, tippen in Tastaturen, die gar nicht angeschlossen sind. Das soll das Büro des Teams der Spar-Nanny sein. Man braucht verschiedene Bilder zum Anmoderieren, dieses Büro soll immer in der Vorschau gezeigt werden, bevor es kurze Ausschnitte aus dem Dreh bei der Putzfrau gibt.
Zum Team gehört auch eine Maskenbildnerin. Ich lerne, dass sie freiberuflich arbeitet und für einzelne Projekte engagiert wird. Ich lerne, dass auch die Moderatoren, die unter anderem fürs Radio arbeiten und auch schon Fernseherfahrung haben, Freiberufler sind. Wenn sie nicht engagiert sind, leben sie vom Arbeitsamt. Dort bekommen sie aber nur Arbeitslosengeld, wenn sie vorher mindestens ein Jahr versicherungspflichtig beschäftigt waren. Kaum einer kann das in der TV-Branche vorweisen, also leben viele von Sozialhilfe.
Nach dem Dreh weiß ich, dass wir den Job alle dringend brauchen. Die Teamarbeit genieße ich, es ist toll, für ein paar Tage mit Kollegen an einem gemeinsamen Ziel zu arbeiten. Dann ist »das Ding im Kasten« und alle warten, ob der Sender das Format kaufen und in Serie produzieren will. Er will nicht. Traum geplatzt.
Dennoch wird der Beitrag gesendet, an einem Sonntag um neunzehn Uhr vierzig, zwanzig Minuten lang.
Als ich mich wieder im Fernsehen sehe, finde ich mich komisch. Meine Haare liegen nicht, meine Gestik wirkt unsicher, meine Mimik ist mir ganz fremd. Meine Stimme! Was ist denn mit meiner Stimme los? Die haben sie offenbar synchronisiert, denn so bescheuert kann ich mich unmöglich anhören.
Irgendwie bin ich froh, dass es mit der Fernsehkarriere nichts wird, denn das ist nicht mein Ding, ich tauge nicht zur Nanny oder zum Coach.
Die sechshundert Euro Honorar sind vier Wochen später auf meinem Konto. Natürlich werden sie von meiner Sozialhilfe abgezogen.
Kurz nach der Sendung bekomme ich einen
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