Vom Kriege
die Entscheidung in dem Augenblick, wo der Sieger aufhört, sich in einem Zustand der Auflösung und also einer gewissen Untüchtigkeit zu befinden, wo also der vorteilhafte Gebrauch sukzessiver Kraftanstrengung, wovon wir im zwölften Kapitel des dritten Buches gesprochen haben, aufhört. Aus diesem Grunde haben wir auf diesen Punkt die strategische Einheit des Gefechts verlegt.
Ein Gefecht also, in welchem der Vorschreitende gar nicht aus dem Zustande der Ordnung und Tüchtigkeit herausgekommen ist oder nur mit einem kleinen Teil seiner Macht, während die unserige sich mehr oder weniger aufgelöst [218] hat, ist auch nicht wieder herzustellen, und ebensowenig, wenn der Gegner seine Tüchtigkeit schon wieder hergestellt hat.
Je kleiner also der Teil der Streitkraft ist, welcher wirklich gefochten, je größer derjenige ist, welcher als Reserve durch sein bloßes Dasein mitentschieden hat, um so weniger kann eine neue Streitkraft des Gegners uns den Sieg wieder aus den Händen winden, und derjenige Feldherr wie dasjenige Heer, welche es am weitesten darin gebracht haben, das Gefecht selbst mit der höchsten Ökonomie der Kräfte zu führen und überall die moralische Wirkung starker Reserven geltend zu machen, gehen den sichersten Weg zum Siege. Man muß in der neueren Zeit den Franzosen, besonders wenn Bonaparte sie führte, darin eine große Meisterschaft einräumen.
Ferner wird der Augenblick, wo beim Sieger der Zustand der Gefechtskrise aufhört und die alte Tüchtigkeit zurückkehrt, um so früher eintreten, je kleiner das Ganze ist. Eine Reiterfeldwache, die ihren Gegner spornstreichs verfolgt, wird in wenigen Minuten wieder die alte Ordnung gewinnen, und länger dauert auch die Krise nicht; ein ganzes Regiment Reiterei braucht dazu schon mehr Zeit; noch länger dauert es bei dem Fußvolk, wenn es sich in einzelne Schützenlinien aufgelöst hat, und wieder länger bei Abteilungen in allen Waffen, wenn ein Teil diese, der andere jene zufällige Richtung eingeschlagen, und das Gefecht also eine Störung der Ordnung veranlaßt hat, die gewöhnlich dadurch erst schlimmer wird, daß kein Teil recht weiß, wo der andere ist. So tritt also der Zeitpunkt, wo der Sieger die gebrauchten Instrumente, die alle durcheinandergeraten und zum Teil in Unordnung gekommen sind, wieder aufgefunden, ein wenig hergerichtet, auf einen passenden Platz gestellt und also die Schlachtwerkstatt wieder in Ordnung gebracht hat, dieser Augenblick, sagen wir, tritt immer später ein, je größer das Ganze wird.
Wieder tritt dieser Augenblick später ein, wenn die Nacht den Sieger in der Krise überrascht, und endlich tritt er später ein, wenn die Gegend durchschnitten und verdeckt ist. Zu diesen beiden Punkten aber muß man bemerken, daß die Nacht auch ein großes Schutzmittel ist, weil nur selten die Umstände geeignet sind, sich von nächtlichen Angriffen einen guten Erfolg zu versprechen, wie am 10. März 1814 bei Laon, wo York gegen Marmont ein ganz hierher gehöriges Beispiel gibt. Ebenso wird eine verdeckte und durchschnittene Gegend gleichfalls der Schutz des in der längeren Siegeskrise Begriffenen gegen eine Reaktion sein. Beides also, die Nacht sowohl als die verdeckte und durchschnittene Gegend, erschweren eine Wiederaufnahme desselben Gefechts, anstatt sie zu erleichtern.
Bis jetzt haben wir die herbeieilende Hilfe des im Verlust Begriffenen als eine bloße Vermehrung der Streitkraft betrachtet, also als eine gerade von hinten kommende Verstärkung, welches der gewöhnliche Fall ist. Ganz anders aber wird der Fall, wenn sie dem Gegner von der Seite oder in den Rücken kommt.
[219] Über die Wirkung der Seiten- und Rückenangriffe werden wir an einem anderen Ort sprechen, so weit sie in die Strategie gehören; ein solcher, wie wir ihn hier zur Herstellung eines Gefechts im Auge haben, gehört hauptsächlich in die Taktik, und nur, weil wir hier von den taktischen Resultaten sprechen und unsere Vorstellungen also in das Gebiet der Taktik hineindringen müssen, kommt er zur Sprache.
Die Richtung einer Streitkraft in des Feindes Seite und Rücken kann ihre Wirksamkeit sehr erhöhen, aber sie tut das nicht notwendig immer, sondern sie kann sie auch ebenso sehr schwächen. Die Umstände, unter welchen das Gefecht statthat, entscheiden über diesen Punkt seiner Anlage, wie über jeden andern, ohne daß wir hier darauf eingehen können. Für unsern Gegenstand sind aber dabei zwei Dinge wichtig:
Erstens: daß Seiten- und
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