Vom Kriege
Niederlage wird die Stufe zu höherem Triumph. Die glänzendsten Waffentaten, welche im Siege dem Gegner so hoch gegolten hätten, daß er die daran verlorenen Kräfte nicht achten konnte, lassen nun nichts zurück als die Reue über diese aufgeopferten Kräfte. So verändert der Zauber des Sieges und der Fluch der Niederlage das spezifische Gewicht der Elemente.
Es ist also auch selbst dann, wenn man entschieden überlegen ist und dem Feinde seinen Sieg durch einen größeren vergelten könnte, immer noch besser, dem Schluß eines nachteiligen Gefechts, wenn es von verhältnismäßiger Bedeutung ist, zuvorzukommen, um dasselbe zu wenden, als ein zweites zu liefern.
Feldmarschall Daun im Jahr 1760 versuchte es bei Liegnitz, dem General Laudon zu Hilfe zu kommen, während dessen Gefecht dauerte; aber er [221]versuchte nicht, als jenes mißlungen war, den König am folgenden Tage anzugreifen, obgleich es ihm an Macht nicht fehlte.
Aus diesem Grunde sind blutige Gefechte der Avantgarde, welche einer Schlacht vorhergehen, nur als notwendige Übel zu betrachten und da, wo sie nicht notwendig sind, zu vermeiden.
Wir werden noch eine andere Folgerung zu betrachten haben.
Ist ein geschlossenes Gefecht eine abgemachte Sache, so kann es nicht der Grund werden, ein neues zu beschließen, sondern der Entschluß dieses neuen muß aus den übrigen Verhältnissen hervorgehen. Dieser Folgerung tritt aber eine moralische Kraft entgegen, die wir berücksichtigen müssen: es ist das Gefühl der Rache und Vergeltung. Vom obersten Feldherrn bis zum geringsten Tambour fehlt dies Gefühl nicht, und daher ist nie eine Truppe von einer besseren Stimmung beseelt, als wenn es darauf ankommt, eine Scharte auszuwetzen. Nur setzt dies voraus, daß der geschlagene Teil kein zu bedeutender des Ganzen sei, weil jenes Gefühl sich sonst in dem der Ohnmacht verlieren würde.
Es ist also eine sehr natürliche Tendenz, jene moralische Kraft zu benutzen, um auf der Stelle das Verlorene wieder einzubringen und deshalb vorzugsweise, wenn die übrigen Umstände es zulassen, ein zweites Gefecht zu suchen. Es liegt dann in der Natur der Sache, daß dieses zweite Gefecht meistens ein Angriff sein muß.
In der Reihe der untergeordneten Gefechte findet man viele Beispiele solcher Wiedervergeltungen; die großen Schlachten aber haben gewöhnlich zu viel andere Bestimmungsgründe, um von dieser schwächeren Kraft angezogen zu werden.
Ein solches Gefühl war es unstreitig, welches den edlen Blücher den 14. Februar 1814, nachdem zwei seiner Korps drei Tage zuvor bei Montmirail geschlagen waren, mit dem dritten auf dieses Schlachtfeld führte. Hätte er gewußt, daß er noch auf Bonaparte selbst treffen würde, so mußten natürlich überwiegende Gründe ihn bestimmen, seine Rache aufzuschieben; aber er hoffte sich an Marmont zu rächen, und anstatt die Vorteile einer edlen Rachbegierde zu ernten, unterlag er den Nachteilen einer falschen Berechnung.
Von der Dauer der Gefechte und dem Moment ihrer Entscheidung hängen die Entfernungen ab, in welchen diejenigen Massen voneinander aufgestellt sein dürfen, die bestimmt sind, gemeinschaftlich zu fechten. Diese Aufstellung würde insofern eine taktische Anordnung sein, als sie ein und dasselbe Gefecht beabsichtigt; allein sie kann doch nur da so betrachtet werden, wo die Aufstellung so nahe ist, daß zwei getrennte Gefechte dabei nicht denkbar sind und also der Raum, welchen das Ganze einnimmt, strategisch wie ein bloßer Punkt angesehen werden kann. Es kommen aber im Kriege die Fälle häufig vor, wo man auch diejenigen Kräfte, welche bestimmt sind, gemeinschaftlich zu schlagen, so weit voneinander trennen muß, daß ihre Vereinigung zum gemeinschaftlichen Gefecht zwar die Hauptabsicht, aber das [222] Vorkommen getrennter Gefechte doch auch möglich bleibt. Eine solche Aufstellung ist also eine strategische.
Anordnungen solcher Art sind: Märsche in getrennten Massen und Kolonnen, Avantgarden und Seitenkorps, Reserven, die mehr als einem strategischen Punkt zur Unterstützung dienen sollen, Versammlung der einzelnen Korps aus weitläuftigen Quartieren usw. Man sieht, daß sie unaufhörlich vorkommen und gewissermaßen die Scheidemünze in dem strategischen Haushalt ausmachen, während die Hauptschlachten und alles, was mit ihnen auf gleicher Linie steht, die Gold- und Talerstücke sind.
Achtes Kapitel: Einverständnis beider Teile zum Gefecht
Kein Gefecht kann ohne gegenseitige Einwilligung dazu entstehen,
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