Vom Kriege
Waffenverhältnis und Aufstellung berücksichtigt werden müssen, wenn das Gefecht durch seine Dauer eine Absicht erfüllen soll; diese Regel war uns aber bei dieser besonderen Betrachtung weniger wichtig, als es uns darum zu tun war, an dieselbe sogleich die Hauptresultate anzuknüpfen, die uns die Erfahrung über diesen Gegenstand gibt.
Der Widerstand einer gewöhnlichen Division von 8000 bis 10000 Mann aller Waffen dauert selbst gegen einen bedeutend überlegenen Feind und in nicht ganz vorteilhafter Gegend doch mehrere Stunden und, ist der Feind wenig oder gar nicht überlegen, wohl einen halben Tag; ein Korps von 3 bis 4 Divisionen gewinnt die doppelte Zeit; eine Armee von 80 bis 100000 Mann etwa die drei- bis vierfache. Solange dürfen also die Massen sich selbst überlassen bleiben, und es entsteht kein geteiltes Gefecht, wenn innerhalb dieser Zeit die andern Kräfte herbeigeschafft werden können, deren Wirksamkeit dann schnell mit dem Erfolge des stattgehabten Gefechts in ein Ganzes zusammenfließt.
Jene Zahlen haben wir aus der Erfahrung entlehnt, es ist uns aber zugleich wichtig, den Moment der Entscheidung und folglich der Beendigung näher zu charakterisieren.
Siebentes Kapitel: Entscheidung des Gefechts
Kein Gefecht entscheidet sich in einem einzelnen Moment, obwohl in jedem es Momente von großer Wichtigkeit gibt, welche die Entscheidung hauptsächlich bewirken. Der Verlust eines Gefechts ist also ein stufenweises Niedersinken der Waage. Es gibt aber bei jedem Gefecht einen Zeitpunkt, wo man dasselbe als entschieden ansehen kann, so daß der Wiederanfang desselben ein neues Gefecht und nicht die Fortsetzung des alten würde. Über diesen Zeitpunkt eine klare Vorstellung zu haben, ist sehr wichtig, um sich entscheiden zu können, ob ein Gefecht von einer herbeieilenden Hilfe noch mit Nutzen wieder aufgenommen werden kann.
Oft werden in Gefechten, die nicht wiederherzustellen sind, neue Kräfte vergeblich geopfert; oft wird versäumt, die Entscheidung zu wenden, wo dies noch füglich geschehen konnte. Hier gibt es zwei Beispiele, die nicht schlagender sein können.
Als der Fürst von Hohenlohe 1806 bei Jena mit 35000 Mann gegen etwa 60000 bis 70000 unter Bonaparte die Schlacht angenommen und verloren, aber so verloren hatte, daß die 35000 Mann als zertrümmert angesehen [217] werden konnten, unternahm es der General Rüchel, mit zirka 12000 Mann die Schlacht zu erneuern; die Folge war, daß er in einem Augenblicke gleichfalls zertrümmert war.
An demselben Tage bei Auerstedt dagegen hatte man mit etwa 25000 Mann gegen Davoust, welcher 28000 hatte, bis gegen Mittag zwar unglücklich gefochten, aber ohne sich in dem Zustande der Auflösung zu befinden, ohne eben mehr eingebüßt zu haben als der Gegner, dem es ganz an Reiterei fehlte, - und man versäumte, die 18000 Mann Reserve des General Kalckreuth zu gebrauchen, um die Schlacht zu wenden, die unter diesen Umständen unmöglich zu verlieren war. -
Jedes Gefecht ist ein Ganzes, in welchem die Teilgefechte sich zu einem Gesamterfolge vereinigen. In diesem Gesamterfolg liegt die Entscheidung des Gefechts. Dieser Erfolg braucht nicht gerade ein Sieg zu sein, wie wir ihn im sechsten Kapitel bezeichnet haben, denn oft ist die Anlage dazu nicht gemacht, oft ist dazu keine Gelegenheit, wenn der Feind zu früh ausweicht, und in den meisten Fällen tritt selbst da, wo ein hartnäckiger Widerstand stattfand, die Entscheidung früher ein, als derjenige Erfolg, der den Begriff eines Sieges hauptsächlich ausmacht.
Wir fragen also: welches ist gewöhnlich der Augenblick der Entscheidung, d. h. derjenige, wo eine neue, wohlverstanden nicht unverhältnismäßige Streitkraft ein nachteiliges Gefecht nicht mehr wenden kann?
Übergehen wir die Scheingefechte, welche ihrer Natur nach eigentlich ohne Entscheidung sind, so ist:
1. Wenn der Besitz eines beweglichen Gegenstandes der Zweck war, der Verlust desselben jedesmal die Entscheidung.
2. Wenn der Besitz einer Gegend der Zweck des Gefechts war, so liegt die Entscheidung meistens auch in dem Verlust derselben, doch nicht immer, nämlich nur dann, wenn diese Gegend von besonderer Stärke ist; eine leicht zugängliche Gegend, wie wichtig sie auch sonst sein möchte, läßt sich ohne große Gefahr wieder nehmen.
3. In allen andern Fällen aber, wo jene beiden Umstände das Gefecht nicht schon entschieden haben, also namentlich in dem Fall, wo die Vernichtung der feindlichen Streitkraft der Hauptzweck ist, liegt
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