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Vom Kriege

Vom Kriege

Titel: Vom Kriege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl von Clausewitz
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würden, die Bonaparte ihnen anzubieten hatte, so war die Bedrohung Wiens als das letzte Ziel zu betrachten. Hätte dies Bonaparte aus irgendeinem Grunde gewußt, so kann auch die Kritik dabei stehenbleiben; war es aber noch problematisch, so muß die Kritik sich wieder zu einem höheren Standpunkt erheben und fragen, was entstanden sein würde, wenn die Österreicher Wien preisgegeben und sich weiter in die noch übrige große Masse ihrer Staaten zurückgezogen hätten. Diese Frage aber kann, wie leicht zu erachten ist, gar nicht mehr beantwortet werden, ohne die wahrscheinlichen Ereignisse zwischen den beiderseitigen Rheinarmeen [131] in Betrachtung zu ziehen. Bei der entschiedenen Überlegenheit der Franzosen (130000 Mann zu 80000 Mann) würde der Erfolg an sich zwar wenig zweifelhaft gewesen sein, aber es entstand wieder die Frage, wozu das französische Direktorium diesen Erfolg benutzen würde, ob zu einer Verfolgung seiner Vorteile bis an die entgegengesetzten Grenzen der österreichischen Monarchie, also bis zur Zertrümmerung oder Niederwerfung dieser Macht, oder ob bloß zur Eroberung eines bedeutenden Teils als Unterpfand des Friedens. Für beide Fälle ist das wahrscheinliche Resultat auszumitteln, um nach diesem ersten die wahrscheinliche Wahl des französischen Direktoriums zu bestimmen. Gesetzt, das Resultat dieser Betrachtung fiele dahin aus, daß für die gänzliche Niederwerfung des österreichischen Staates die französischen Streitkräfte viel zu schwach gewesen wären, so daß der Versuch dazu ganz von selbst einen Umschwung der Dinge herbeigeführt hätte, und daß selbst die Eroberung und Behauptung eines bedeutenden Teiles die Franzosen in strategische Verhältnisse geführt hätte, denen ihre Kräfte wahrscheinlich nicht gewachsen waren: so muß dieses Resultat Einfluß auf die Beurteilung der Lage haben, in welcher sich die italienische Armee befand, und dieselbe zu geringen Hoffnungen berechtigen. Und dies ist es unstreitig, was Bonaparte auch da, als er die hilflose Lage des Erzherzogs ganz übersehen konnte, vermocht hat, den Frieden von Campo-Formio auf Bedingungen abzuschließen, die den Österreichern keine größeren Opfer auferlegten als den Verlust von Provinzen, die sie auch nach dem glücklichsten Feldzug nicht wieder erobert haben würden. Aber selbst auf diesen mäßigen Frieden von Campoformio hätten die Franzosen nicht rechnen, und sie hätten ihn also nicht zum Zweck ihres kühnen Vorschreitens machen können, wenn nicht zwei Betrachtungen anzustellen gewesen wären; die erste besteht in der Frage: welchen Wert die Österreicher auf jedes der beiden Resultate gelegt haben würden, ob sie dieselben trotz der Wahrscheinlichkeit eines endlichen glücklichen Erfolges, welcher in beiden für sie lag, der Opfer wert gefunden haben würden, die mit ihnen, d.i. mit der Fortsetzung des Krieges, verbunden waren, und die sie durch einen Frieden auf nicht zu nachteilige Bedingungen vermeiden konnten. Die zweite Betrachtung besteht in dieser anderen Frage: ob die österreichische Regierung überhaupt mit ihrer Überlegenheit so weit gehen, ob sie die letzten möglichen Erfolge ihrer Gegner gehörig prüfen, sich nicht von dem Eindruck der augenblicklichen Mißverhältnisse zur Mutlosigkeit fortreißen lassen würde.
    Die Betrachtung, welche den Gegenstand dieser ersten Frage macht, ist nicht etwa eine müßige Spitzfindigkeit, sondern von so entschiedenem praktischem Gewicht, daß sie jedesmal vorkommt, wenn ein auf das Äußerste gerichteter Plan vorliegt, und sie ist es, welche die Ausführung solcher Pläne am häufigsten verhindert.
    Die zweite Betrachtung ist ebenso notwendig, denn man führt den Krieg nicht mit einem abstrakten Gegner, sondern mit einem wirklichen, den [132] man immer im Auge haben muß. Und gewiß hat dem kühnen Bonaparte dieser Gesichtspunkt nicht gefehlt, d. h. nicht gefehlt das Vertrauen, welches er in den Schrecken setzte, der seinem Schwerte voranging. Dasselbe Vertrauen führte ihn im Jahre 1812 nach Moskau. Hier hat es ihn im Stich gelassen; der Schrecken hatte sich in den gigantischen Kämpfen schon etwas abgenutzt; im Jahre 1797 war er allerdings noch neu, und das Geheimnis von der Stärke eines bis aufs Äußerste gerichteten Widerstandes noch unerfunden, aber nichtsdestoweniger würde ihn auch im Jahre 1797 seine Kühnheit zu einem negativen Resultat geführt haben, wenn er nicht, wie gesagt, im Vorgefühl davon den mäßigen Frieden von Campo-Formio

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