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Vom Liebesleben der Stechpalme: Roman (German Edition)

Vom Liebesleben der Stechpalme: Roman (German Edition)

Titel: Vom Liebesleben der Stechpalme: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Kolenda
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einfach
damals. Nicht nur Lebensmittel, auch Bücher waren Mangelware. Nur wer Beziehungen
hatte, konnte ein begehrtes Buch unter dem Ladentisch bekommen. Aber keine 100.
Und 100 Bücher waren genug als Liebesbeweis. Allerdings hatte ich immer noch meine
Zweifel. »Warum hast du mir das nicht erzählt?«
    »Weil du
abgehauen bist.«
    »Worauf
hätte ich denn warten sollen? Du bist durchgedreht, du hast auf dem Marktplatz Schokolade
verteilt. Dabei hast du laut geschrien, dass du nächste Woche Bananen verschenken
wirst.«
    »Das stimmt
so nicht!«
    »Mit meinen
eigenen Augen habe ich dich gesehen. Mit einer grünen Robin-Hood-Mütze auf dem Kopf.«
    »Es war
keine Schokolade, sondern schokoähnliche Riegel. Die wollte ich nicht verteilen,
sondern zum Fabrikpreis verkaufen. Und versprochen habe ich bulgarische Melonen.«
    »Jan! Mitten
im Winter?«
    »Ein Werbetrick.
Ich wollte nebenbei einen größeren Posten Rapsöl loswerden. Du glaubst mir nicht.
Oh, Valeska, das tut weh!«
    Verärgert
stieß er den Tisch weg. Zunächst fiel die Blumenvase runter, dann entledigte sich
die Tischplatte der ohnehin wackeligen Beine und ging krachend zu Boden. Bevor ich
mich versah, packte er die Tischplatte unter einen Arm, die Tischbeine unter den
anderen und ging hinaus. Mit der Ferse stieß er die Tür hinter sich zu. Das Bild
über dem Bett, ein Wasserfall in den Bergen, rutschte die Wand hinunter, die Glasscheibe
zersplitterte am Fußboden.
     
    Wutausbrüche konnte ich nicht leiden.
Zornig räumte ich mein Zimmer auf und setzte mich ans Fenster, um Ben im Garten
zu beobachten. Das beruhigte mich immer. Der Hund genoss gerade sein morgendliches
Schläfchen im Schatten eines Apfelbaumes.
    »Darf ich
reinkommen?« Kurt machte die Tür einen Spalt auf.
    »Probleme?«,
fragte ich schroff.
    »Ich nicht.
Stand hier nicht ein Tisch?«
    »Wie kommst
du darauf?«
    »Ach, nur
so.«
    »Was – nur
so?«
    »Oh, ich
glaubte, Geräusche eines Kampfes zu hören, da dachte ich, ich schaue mal nach. Hätte
ja sein können, dass ich deinen Gegner schnell ins Krankenhaus bringen muss. Damit
er eine Überlebenschance hat.«
    »Du bist
nicht witzig.«
    Kurt stellte
sich vor den Schrankspiegel und fummelte an seinem Tropenanzug herum. »So? Andere
Frauen halten mich für ausgesprochen humorvoll. Habe ich denn keine starke erotische
Ausstrahlung?«
    Er drehte
sich vor dem Spiegel hin und her. Ein Schauspieler, angeblich ein Nachkomme von
Rudolf Valentino, hatte ihm einige Tricks beigebracht. Zum Beispiel, wie ein feuriger
Liebhaber auszusehen habe. Den Kopf zur Seite geneigt, die Augen weit aufgerissen,
der Mund dramatisch verzerrt wie nach dem Biss in eine Chilischote.
    »Und wie
findest du das, Valeska? Beeindruckend, nicht wahr. Nach nur zwei Sitzungen.«
    Aus Erzählungen
wusste ich, dass Künstler sehr empfindliche Seelen sind, bei harscher Kritik sogar
selbstmordgefährdet. Ich nickte anerkennend. »Gut investiertes Geld. Bei Berggorillas
hättest du jetzt alle Weibchen um dich geschart.«
    »Auch beim
Homo sapiens komme ich ausgesprochen gut an. Eine wunderschöne Dame beispielsweise
findet mich sehr charmant.«
    »Von wem
sprichst du?«, fragte ich.
    »Von der
sanftesten, einfühlsamen Frau mit den schönsten Augen, die ich je gesehen habe.
Zart blau und verträumt.«
    »Meinst
du etwa diese aufgetakelte Blondine?«
    »Wenn du
in deinem Vokabular keine anderen Worte findest außer solchen Despektierlichkeiten,
dann ja. Sie heißt übrigens Alexandra, wie die letzte russische Zarin. Ihr Ehemann,
Zar Nicolai Romanow, nannte sie liebevoll Alix.«
    »Ben!«,
rief ich zum Garten hinaus. »Eine Ente macht sich über deine Haferflocken her. Wach
auf!«
    »Es soll
die große Liebe gewesen sein zwischen Alix und Nicolai«, erzählte Kurt verträumt.
»Das ist doch dein Thema, Valeska.«
    »Ja, ja.
Und hätte man die ganze Zarenfamilie nicht erschossen, dann lebte sie heute noch.«
    Kurt übte
weiter, er drückte seine Hände auf die linke Brusttasche und stöhnte. »Ich bin dabei,
mich zu verlieben.«
    Eine Weile
verharrte er in dieser Stellung, wahrscheinlich, um mir genügend Zeit für die Bewunderung
seiner Talente zu lassen, dann kam er ans Fenster und beide schauten wir nun auf
den Garten hinunter. Kurt verliebt, ich genervt. Eine weitere Ente lief herbei,
andere kamen angetrappelt, und bevor Ben sich entschloss, die Augen zu öffnen, war
sein Mahl bereits verputzt. Die Enten spazierten mir nichts, dir nichts um ihn herum
und quakten

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