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Vom Liebesleben der Stechpalme: Roman (German Edition)

Vom Liebesleben der Stechpalme: Roman (German Edition)

Titel: Vom Liebesleben der Stechpalme: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Kolenda
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zur Schulter
hinauf. Bei Alix fanden seine Experimente zum Glück viel Zuspruch. Sachlich berichtete
ich Jan von dem Vorfall mit den Husaren, der Jungfräulichkeit und den Küssen. Das
gefiel ihm nicht, er runzelte die Stirn, und übernahm schließlich die Rolle des
Vermittlers.
    Zuerst stellte
er mich dem Bürgermeister vor: »Meine alte Freundin, zurzeit in Berlin wohnhaft.
Aber vielleicht bald hier.«
    Der Würdenträger
sah mich streng an. »Sie sind ganz schön neugierig. Das regt meine Frau zu sehr
auf. Was führt Sie überhaupt hierher?«
    Jan kam
mir zuvor. »Wir sind Geschäftspartner.«
    Der Bürgermeister
nickte wohlwollend und deutete auf Kurt, der weiterhin mit Alix beschäftigt war.
    »Das ist
Kurt Schöne, ein deutscher Tourist«, sagte Jan. »Er spricht unsere Sprache, mit
den polnischen Gepflogenheiten kennt er sich jedoch noch nicht so gut aus, er lernt
aber schnell.«
    Der Bürgermeister
ging auf Kurt zu. »Ich hörte, Sie machen sich schnell mit unserer Kultur vertraut.
Wollen Sie etwa einwandern?«
    »Wer weiß,
wer weiß.« Kurt verteilte erneut Küsse, diesmal gezielt auf den Handrücken der Blondine
Alix.
    Der Bürgermeister
kniff die Augen zusammen. »Ich verstehe. Frau Robotka, haha. Sie kann Menschen wirklich
verzaubern. Es wird problematisch, Herr Schöne, wir haben noch keine richtige Einwanderungsbehörde.«
    »Dann muss
ich wohl heiraten, um hierzubleiben.«
    Eine Sorgenfalte
grub sich in die Stirn des Bürgermeister »Das geht natürlich auch. Aber lassen Sie
sich Zeit. Vielleicht gefällt es Ihnen bei uns gar nicht.«
    »Ja, da
gibt es einiges. Der Fahrstil mancher Autofahrer, zum Beispiel.«
    »Na, da
sehen Sie selbst! Polen ist kein Land für Autofahrer mit schwachen Nerven.«
    Kurt lächelte
nachsichtig. »Meine Belastbarkeit ist außergewöhnlich gut. Sie haben mich falsch
verstanden.«
    »Nein, nein,
ich habe Sie richtig verstanden. Ich mag Sie sogar. Ja, ich mag Sie, glauben Sie
mir.« Er fasste Kurts Hand und schüttelte sie ausgiebig. »Herr Schöne, ich wünsche
Ihnen einen guten Heimweg nach Hause, nach Berlin.«
    Die Audienz
war beendet, der Bürgermeister winkte Jan zu sich und ging mit ihm ins Haus. Der
kleine Edy tauchte plötzlich vor mir auf und hob ein volles Wasserglas hoch.
    »Auf unsere
schicksalhafte Freundschaft, Valeska. Bis der Tod uns scheidet.«
    Es war sicher
kein Quellwasser, das Edy schlürfte, denn sein fahles Gesicht nahm schnell die Farbe
seiner roten Krawatte an. Seine Redseligkeit war nicht zu stoppen, er plapperte
ununterbrochen weiter. »Ich könnte dir einiges über diese Leute erzählen, ich kenne
ihre größten Geheimnisse.«
    »Nein, lass
gut sein, Edy. Die Bürgermeisterfrau hat längst aus dem Nähkästchen geplaudert.«
    »Hat sie
das wirklich?«
    »Aber ja
doch. Ich kann ihre Geschichte an mein Dentallabor verkaufen. Für einen Werbeprospekt:
›Liebe kennt keinen Zahnschmerz. Die Frage: Wie soll eine Frau diskret zeigen, dass
sie zarte Gefühle für einen geschundenen Zahnarztpatienten hegt? Die Antwort: Indem
sie den verstörten, betäubten Mann abschleppt und über ihn herfällt.‹«
    Edy lachte.
»Die Geschichte kenne ich. Es geht um, sagen wir, andere Liebesbeweise.«
    Mein Notizbuch
war gleich zur Stelle. »Ich höre.«
    »Aber Valeska!
Du weißt doch selber, dass man gute Geschichten nicht umsonst bekommt. Trink mit
mir ein Glas, dann werden wir sehen.«
    Mit einer
Weinflasche und einem Korb voll bester polnischer Wurst setzten wir uns auf eine
Bank. Edy erzählte über stillgelegte Kohlebergwerke in Waldburg, gab mir Tipps,
wo ich den besten Selbstgebrannten kaufen kann, sinnierte darüber, dass der Mensch
an sich, und ein Mann im Besonderen, nach einem Partner suchen müsse. Nur die versprochene
Geschichte wollte er nicht ausplaudern, und dann war es dafür zu spät. Auf dem Rasen
machte er es sich bequem und schwor mit schwerer Zunge: »Dir erzähle ich alles.
Du musst mich aber besuchen. Bei mir zu Hause, in meinem lauschigen Zimmer mit dem
einmaligen Blick auf die Wogen des Flussesss…«
    Immer leiser
zischend schlief er ein. Das Dumme war nur, er hatte seine Adresse nicht genannt.
Und auch keiner der Anwesenden wusste, wo er wohnte. Vielleicht habe er gar keine
Wohnung, sondern schlafe in der Redaktion, vermutete ein angetrunkener Kleinunternehmer.
Er selbst übernachte oft draußen auf dem Feld, er könne sich keinen Nachtwächter
leisten. Im letzten Herbst hätten Diebe seine Zwiebelplantage sauber abgeerntet.
Vielleicht

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