Vom Liebesleben der Stechpalme: Roman (German Edition)
vergnügt.
»So ist
das«, sagte Kurt gelassen. »Wer zu lange zögert, der bekommt keine leckeren Haferflocken
zum Frühstück.«
Das kann
mir auch schnell passieren, schoss es mir durch den Kopf, ich fasste Kurt am Arm.
»Kann ich dein Auto haben? Jetzt, sofort.«
»Wo willst
du hin?«
»Jan besuchen,
sonst werden meine Haferflocken von Enten aufgefressen.«
Wortlos
reichte er mir die Schlüssel.
»Danke,
ich erzähle dir alles später.«
»Du meinst
doch nicht wirklich Haferflocken, oder?«
*
Eine Stunde später saß ich am langen
Tisch im Saal mit den blankpolierten Ritterrüstungen an der Wand und blickte zum
Papstporträt hinauf, in Erwartung eines Zeichens. Für Konflikte gab’s bestimmt ganz
gute Tipps vom Vatikan. Jan paffte seine Zigarre und baute aus Zigarrenkisten einen
schiefen Turm auf dem Tisch.
Es war sinnlos,
noch zu hoffen, dass sich der Papst meiner Sache annehmen würde. Erneut fragte ich:
»Es war also ein anonymer Informant, der dich mit Czarnecki im Auto gesehen haben
will?«
»Ja, angeblich
schreibt er seit Langem Briefe an die Polizei.«
»Ein verhinderter
Schriftsteller? Gibt’s in der Gegend keine Literaturgruppen, wo er sich präsentieren
kann?«
Jan lachte
nicht darüber. Dann stürzte auch noch sein schiefer Turm, das Bauwerk aus Zigarrenkisten,
um.
»Na gut«,
sagte ich. »Keine blöden Scherze mehr. Wer könnte etwas gegen dich haben?«
»Nie vom
Konkurrenzkampf unter Geschäftsleuten gehört? Alle Tricks sind bei uns erlaubt.
Als ich Gewächshäuser hatte, manipulierte jemand die Heizungsanlage. Am nächsten
Morgen waren meine Blumen steif und verschneit wie die Fichten im Winter. Wenn ich
daran denke, wie viel Geld mich diese Winterlandschaft gekostet hat, dann …« Er
stockte, lief rot an und atmete keuchend. Seine rechte Hand schob er unters Jackett,
als müsste er die Herzgegend massieren.
Besorgt
lief ich um den Tisch zu ihm. »Das Herz? Keine Panik, ich habe neulich einen Erste-Hilfe-Kurs
belegt. Ganz ruhig, Jan. Vorsichtig vom Stuhl runter gleiten. So ist’s schön. Wir
nehmen jetzt eine entspannte Haltung an. So ist’s gut. Nicht bewegen. Gleich rufen
wir den Arzt an. Jan, nicht aufstehen!«
Unsanft
schob er mich weg, erhob sich erstaunlich munter und setzte sich auf seinen Stuhl
zurück. »Mir geht’s gut, die Blumen sind längst vergessen. Das Schlimmste ist vor
zwei Monaten passiert. Ich bin beinahe wahnsinnig geworden.«
In Gedanken
zählte ich auf, was ich über Verwirrung, Schock und Panikzustände gelernt hatte.
Zuerst fest und warm einwickeln. Diskret sah ich mich nach einer passenden Decke
um. Zur Not konnte ich den Teppich nehmen. »Was ist passiert, Jan?«
Mein leidgeprüfter
Freund vergrub sein Gesicht in den Händen, ich glaubte, sein Schluchzen zu hören.
»Mein Papst ist weg. Hier, mitten im Saal, sollte die Papstskulptur stehen. Aus
purer Bronze gegossen, mit Goldschicht überzogen. Ich ließ sie in meine Stadtgarage
liefern. In derselben Nacht wurde sie geklaut. Es war eine Sonderanfertigung. Alles
würde ich geben, um den Dieb zu fassen und die Skulptur zurückzubekommen.«
»Und was
hat die Polizei unternommen?«
»Der Inspektor
zweifelt daran, dass jemand die Skulptur geklaut hat. Er unterstellt mir Versicherungsbetrug.«
Niemals,
dachte ich, würde der fromme Jan mit der Skulptur seines geliebten Papstes Scherze
treiben. Ein kühner Plan formte sich in meinem Kopf. Wenn die Polizei so elendig
versagte, musste ich einspringen und den Dieb fassen. Immerhin hatte ich eine fachmännische
Kraft dabei. Für einen angehenden Privatdetektiv war das ein interessanter Fall.
Aber nein, rief ich mich in Gedanken zurück. So plötzlich konnte ich nicht aus dem
Privatgelehrten Kurt Schöne einen Privatdetektiv machen. Außerdem zweifelte ich
stark daran, dass Kurts Einmischung erwünscht war. So eifersüchtig, wie Jan sich
verhielt. Am besten, ich nähme die Sache selbst in die Hand. Als hätte ich die Skulptur
bereits in meiner Tasche, lächelte ich Jan siegessicher an.
Leider wusste
er noch nicht, dass ich soeben seinen Fall übernommen hatte, denn er fuhr mit Grabesstimme
fort: »Und jetzt der Autounfall. Der verrückte Informant behauptet, mich gesehen
zu haben, wie ich aus dem Auto stieg, als Czarnecki kurz anhielt. Kaum eine Minute
später fuhr Czarnecki gegen den Baum. Alles Lüge, ich war hier, zu Hause, alleine.«
Mir verschlug
es die Sprache, ich räusperte mich. »So? Und ich vor der Tür.«
»Was? Du
warst vor dem
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