Vom Liebesleben der Stechpalme: Roman (German Edition)
abgebaut?«
Schuldbewusst
starrte Kurt hinunter auf das kaputte Ei.
In der Tür
erschien die Wirtin. »Was machen Sie denn da, Herr Schöne?«
Kurt sah
sie wirr an. »Ich weiß es selbst nicht. Mein Frühstücksei ist heruntergesprungen,
einfach so.«
»Aber ja,
so was kann schnell passieren. Unsere Eier gelten als besonders energetisch. Wenn
Sie verstehen, was ich meine.« Sie lächelte und wirbelte im Zimmer herum wie ein
bunter Kreisel. Im Nu war das Ei vom Fußboden verschwunden, ebenso schnell war auch
Kurt weg. Das kannte ich bereits von ihm, immer wenn ich schlechte Laute hatte,
verdrückte er sich schleunigst.
Die Wirtin
war enttäuscht. »Herr Schöne mag wohl nicht lange frühstücken. Ist das so üblich
bei deutschen Männern?«
»Ja. Allerdings
nur, wenn sie eine anstrengende Nacht hinter sich haben.«
»Was? Sind
meine Betten nicht bequem genug?«
Behutsam
massierte ich meine schmerzende Schulter. »Ihre ja. Aber andere vielleicht nicht.«
»Ich schlafe
auch schlecht«, klagte sie.
»Ah ja?«
»Heute,
gestern, vorgestern.« Sie goss sich Kaffee ein. »Ich kann einfach nicht einschlafen.«
»Zu viel
Koffein vielleicht?«
Sie nahm
einen großen Schluck Kaffee. »Ach was! Ich liege stundenlang im Bett und denke an
Roman Czarnecki.«
»Wieso?«
»Wieso,
wieso! Ich habe meine Gründe. Übrigens, hat die Polizei einen Verdächtigen?«
Ihr Geschwätz
ging mir auf die Nerven. »Frau Kochmann, es war doch ein Unfall!«
»Ein Unfall?
Ich will niemanden anschwärzen, Frau Lem, es gibt eine Person, die froh darüber
ist, dass Czarnecki das Zeitliche gesegnet hat.«
»Jan Linde
hat damit auf jeden Fall nichts zu tun.«
»Ach, wer
redet hier von Herrn Linde! Ich meine Wanda, die Ehefrau von Czarnecki.«
»Wieso?«
»Weil sie
alles erben wird. Wissen Sie, ich habe gar nichts dagegen, wenn ein blindes Huhn
mal ein Korn findet. Doch warum ausgerechnet so ein gerissenes wie Wanda? Haben
Sie die Frau mal gesehen?«
»Ja, im
Museum.«
»Und hat
sie, wie immer, die Unschuld vom Lande gespielt?«
»Sie ist
ohnmächtig geworden, nachdem sie vom Unfall gehört hat.«
»Da sehen
Sie selbst, sie weiß genau, was zu tun ist! Noch mehr Kaffee?«
Ohne meine
Antwort abzuwarten, sprang sie auf, lief hin und her, bis die Farben ihres Kleides
vor meinen Augen verschwammen, dann stellte sie eine Kanne frischen Kaffee auf den
Tisch. Sie goss sich ein, schlürfte und sagte wütend: »Ein ausgekochtes Biest! Ich
hätte zu gerne gewusst, wie sie das mit der Heirat angestellt hat. Sie muss ihn
verhext haben! So ein Mannsbild, so ein gerissener Geschäftsmann. Und dann plötzlich
heiratet er diese dumme Wanda. Sie sind doch die Expertin, Sie schreiben darüber,
Frau Lem. Warum hat Czarnecki diese Wanda geheiratet?«
»Statt Sie
zu heiraten, nicht wahr?«
Sie errötete
bis zum Halsansatz. »Nein, nein. Ich war bereits verheiratet. Jetzt bin ich aber
geschieden. Mein Ehemann hat sich als vollkommener Versager entpuppt. Mich würde
es für die Zukunft interessieren, worauf es ankommt. Was hat sie, was ich nicht
habe?«
Die Frage
bedurfte einer gut überlegten Antwort, zuerst verzog ich meinen Mund zu einer Grimasse.
Wegen der Glaubwürdigkeit. Die meisten Experten machen mürrische oder gar aggressive
Gesichter, bevor sie etwas Bedeutendes sagen. Sorgfältig wählte ich meine Worte:
»Vielleicht hat sie das gewisse Etwas, diese Wanda.«
»Aber was?
Keine Schönheit, kein Geld, keinen Beruf, keine Beziehungen. Nichts. Was dann, Frau
Lem?«
»Na ja.
Etwas Ausgefallenes möglicherweise …«
Die Wirtin
schüttelte energisch den Kopf. »Nein, das nicht. Das weiß ich aus erster Hand. Meine
Nichte hat bei Czarnecki geputzt. Ihr ist garantiert nichts entgangen. Nein, die
sexuelle Hörigkeit können Sie ausschließen.«
»Liebe Frau
Kochmann«, sagte ich genervt. »Lesen Sie denn keine Liebesromane? Es war Liebe.«
Vor Erstaunen
bekam sie große Augen. »Meinen Sie das ernst?«
»Ja, verdammt!«
In meinem
Kopf formte sich der Titel meiner nächsten Geschichte. ›Liebe und Geld. Wie ein
einfaches Mädchen das Herz eines reichen Bauunternehmers gewinnt‹. Mein Notizblock
lag bereits vor mir auf dem Tisch. »Apropos Wanda Czarnecka. Ich möchte sie besuchen.
Wissen Sie, wo Sie wohnt?«
Die Wirtin
zuckte die Schultern und presste die Lippen zusammen.
»Frau Kochmann,
bitte.«
»Die Hausnummer
weiß ich nicht, aber jedes Kind wird Ihnen die protzige Villa in der Kastanienallee
zeigen können.«
Mein Notizbuch
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