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Vom Liebesleben der Stechpalme: Roman (German Edition)

Vom Liebesleben der Stechpalme: Roman (German Edition)

Titel: Vom Liebesleben der Stechpalme: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Kolenda
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müsse man auch eine Zeitungsredaktion bewachen, Computer, Kugelschreiber
und so. Ich versprach, darüber nachzudenken, und gesellte mich zu Jan, Kurt, Alix
und einer erheblichen Menge von Weinflaschen. Bei Morgendämmerung kehrte ich in
die Pension zurück. Ganz sicher war ich mir im Nachhinein nicht, aber ich glaubte,
Kurt hatte am Steuer gesessen.

5.
     
    Einige Stunden später gähnte ich
im morgendlichen Sonnenlicht und stopfte meine Wanderschuhe in den Rucksack, da
klopfte es an der Tür. »Jaaa, herein! Ich bin gleich fertig.«
    Jan trat
ins Zimmer. Oh Schreck, hatte ich gestern etwas falsch verstanden? Wir hatten uns
für einen Ausflug in die Berge verabredet. Er sah aber aus, als wollte er stattdessen
auf eine Pilgerfahrt. Eine dicke goldene Kette mit einem ebenso prächtigen Kreuz
baumelte auf seiner Brust.
    Fach für
Fach durchsuchte ich meinen Schrank. »Na, dann nehme ich meine lange schwarze Regenjacke
mit. Sie passt für alle kirchlichen Feierlichkeiten.«
    »Du brauchst
keine Regenjacke, Valeska.«
    »Ich traue
prinzipiell keinem. Und dem Wetter am wenigsten.« Vorsichtig – die verfluchten Kopfschmerzen
– bückte ich mich und versuchte, die untere Schrankschublade aufzuziehen. Ohne Erfolg,
sie klemmte. Mit dem Fuß versetzte ich ihr einen Tritt. Gestern hatte das noch geholfen.
    »Du brauchst
keine Wandersachen.«
    »Auch gut!
Wir fahren gemütlich in einem Jeep in die Berge. Ich bin nämlich ein wenig müde.
Deine Geschäftsfreunde waren so lustig, Jan.«
    Er kaute
an seiner Zigarre und vermied es, mich anzuschauen. Langsam machte ich mir Sorgen
um ihn.
    Traurige
Menschen aufzuheitern war kein Problem für mich. Mit einer Prise Erotik ging es
am schnellsten. »Nur wir beide und die Natur, wie damals, erinnerst du dich an unsere
Ausflüge in die Berge? Hui, hatten wir danach einen Muskelkater, aber nicht vom
Wandern.«
    »Valeska.
Ich kann nicht …«
    »Keine Sorge«,
unterbrach ich ihn und trat vom Schrank zurück. Die Türen sprangen auf, die Regalbretter
samt Inhalt polterten heraus. Unwichtig, ich ließ meine Garderobe auf dem Fußboden,
ging zum Bett, setzte mich darauf und klopfte einladend auf den Platz daneben. »Komm
her, wir unterhalten uns ganz sachlich darüber. Es gibt da eine kleine Yogaübung,
die heißt: ›Der sterbende Schwan richtet sich zur Sonne‹.«
    Verlegen
kratzte er sich auf der Brust. Das goldene Kreuz leuchtete mahnend. »Valeska, ich
muss dringend weg.«
    »Keine Angst,
es ist nichts, was der Papst nicht erlauben würde.«
    Seine Stimme
klang trotzig. »Ich habe eine Verabredung.«
    »Vertrau
mir. Du wirst gleich ›Schwanensee‹ solo tanzen können. Na, komm schon.«
    Mein Lächeln
war wohl nicht verführerisch genug, Jan griff nach der Türklinke. »Mach es mir doch
nicht so schwer. Das Treffen kann ich nicht absagen, ich muss weg.«
    Das war
eine Tragödie. Mein angehender Liebhaber hatte nicht nur kein Vertrauen, er fürchtete
sich sogar vor mir. Ich tat, als würde ich Jans Notlüge glauben. »Das ist aber schade.
Ein Treffen also. Und ganz plötzlich.«
    »Es ist
eine Vorladung ins Polizeipräsidium.«
    Endlich
nahm er die Hand von der Klinke, legte seine Zigarre auf den Tisch und setzte sich
neben mich. Schweigend starrte er auf seine Schuhe, ich tat es ihm nach. Nachdem
ich mich an seinem Schuhwerk lange genug erfreut hatte, fragte ich: »Weswegen?«
    »Wegen dem
Unfall.«
    »Und warum
ausgerechnet du?«
    Die Frage
aktivierte seine Nikotinsucht. Aus seiner Jacketttasche holte er ein goldenes Etui
und entnahm ihm eine weitere Zigarre. Anschließend sagte er betrübt. »Jemand hat
mich angeblich in der Nähe des Unfallortes gesehen.«
    »Nur deshalb?
Aber das ist doch nicht schlimm.«
    Er knipste
sein Feuerzeug an und sog an seiner Zigarre. »Eben, das ist lächerlich. Ich war
zu Hause, damit habe ich nichts zu tun.«
    »Das hast
du seinerzeit auch gesagt, nachdem du zuvor den Kiosk überfallen hattest.«
    »Das ist
nicht dasselbe.«
    »Stimmt,
damals hast du nur Schokolade und Rasierklingen mitgenommen.«
    »Vergiss
das Buch nicht, Valeska.«
    »Was für
ein Buch?«
    »Das Kochbuch
deines Vaters. Was glaubst du, weswegen ich eingebrochen bin? Aus Liebe. Ich wollte
unbedingt das Buch haben.«
    »Ich hätte
es dir schenken können.«
    »Aber nicht
100 Exemplare.«
    »Wieso gleich
100?«
    »Ein Buch
war mir zu wenig. Ich war wahnsinnig in dich verliebt.«
    Das leuchtete
mir ein, die Liebe führt bekanntlich zu unsinnigen Taten. Wir hatten es nicht

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