Vom Liebesleben der Stechpalme: Roman (German Edition)
splitternackte Männer! Schamlos! Und laut und betrunken.
Allein der Anblick hätte mich umgebracht.«
»Gut, dass
Sie sich das nicht ansehen mussten.«
»Ich war
zu spät da«, sagte sie mit heiliger Empörung. »Als Anne mich geholt hat, da waren
sie alle weg. Ins Haus zurück.«
»Hat Herr
Czarnecki oft gefeiert?«
»Das schon,
aber nie unbekleidet. Seit er verheiratet ist, gab es keine Partys mehr. Die beiden
haben still zusammengelebt. Ich bin tagsüber und manchmal spätabends am Haus vorbeigegangen.
Nichts! Keine Gäste, keine Partys. Zum Glück auch.«
In Gedanken
rieb ich mir die Hände. Die Geschichte von Roman und Wanda war durchaus interessant.
Ein bekennender Orgienliebhaber heiratet ein unschuldiges Mädchen und verwandelt
sich in einen vorbildlichen Ehemann. So was kommt immer gut an. Herr Pech würde
endlich zufrieden sein.
Die fleißige
Kirchengängerin setzte sich mir gegenüber. »Brauchen Sie mehr Geschichten? Wenn
Sie wollen, kann ich Ihnen etwas über den Nachbarn von gegenüber erzählen. Der hat
sich ein Gerät gekauft, oh Gott, dass es so was gibt!« Voller Abscheu verdrehte
sie die Augen. »Sie werden es mir nicht glauben, was man damit machen kann! Das
regt mich immer so auf, dass ich nachts nicht schlafen kann. Ich habe mit unserem
Pfarrer geredet. Er sagt, ich soll nicht hingucken. Aber ich sage: Der Schamlose
muss die Gardinen zuziehen, nicht ich. Finden Sie das nicht auch? Noch ein Bier?«
Die seltsamen
Geräte in Nachbars Haus regten mich bei Weitem nicht so auf. Ich befand zudem, dass
ich mehr als genug für Fußbänke und Kerzen gespendet hatte. Die Sammlung unangetasteter
Biere überließ ich der alten Frau, damit sie die Flamme ihrer Empörung löschen konnte,
verließ das Lokal und fuhr zurück.
7.
Die Pensionswirtin räumte eine Blumenvase
mit drei weißen Schwertlilien vom Tisch, verfrachtete sie auf eine schwarze Kommode
und stellte einen Teller mit Kuchen hin. »Echter schlesischer Apfelkuchen. Ist Herr
Schöne nicht da?«
»Nein, er
besucht heute das Haus von Hauptmanns Bruder in Szklarska Por ę ba.«
»Schade.«
Sie schnitt den Kuchen in breite Scheiben. Zwei Stück schob sie auf ihren Teller
und griff genüsslich zu. »Er sagte, dass er für einen frischgebackenen Apfelkuchen
zu allem bereit wäre.«
»Na, dann
nehmen Sie ihn beim Wort, wenn er auftaucht.«
Nachdenklich
blickte sie zum Wandspiegel hinüber. »Soll ich es bei ihm versuchen? Glauben Sie,
dass ich sein Typ bin?«
»Aber ja!«
»Danke,
Frau Lem! Morgen gibt’s selbst gemachte Klöße mit Rinderbraten und Pilzsoße. Dazu
Gurkensalat. Oder besser Weißkrautsalat? Was meinen Sie?«
»Kurt ist
eine robuste Natur, der wird mit allem fertig.«
»Zum Nachtisch:
Pflaumen im Teigmantel.«
»Richtig
so. Noch eins drauf. Bis er um Gnade winselt.«
Die Wirtin
kaute selbstvergessen. »Dazu Wein oder Bier?«
»Servieren
Sie einfach Selbstgebrannten von der härtesten Sorte.«
»Ja, das
wird Herrn Schöne gefallen«, sagte sie verträumt. »Ein starker Mann braucht etwas
Starkes zum Trinken. Mögen Sie keinen Apfelkuchen?«
»Doch, doch.
Der duftet so unwiderstehlich, gleich koste ich davon. Übrigens, ich habe Wanda
Czarnecka besucht.«
»Und was
macht das Luder? Schon das Geld zählen?«
»Sie sortiert
ihre Erinnerungen. Gute behält sie, schlechte ertränkt sie im Alkohol. Hatte Roman
Czarnecki eine Geliebte?«
Wortlos
holte sie ein Wahlplakat hinter der schwarzen Kommode hervor und hielt es mir hin.
»Die Bürgermeisterwahl vor zwei Jahren. So ein Mannsbild muss eine Geliebte haben,
was sage ich bloß, mehrere Geliebte.«
Der Mann
auf dem Plakat sah umwerfend gut aus und war sich dessen auch bewusst. Er entblößte
seine Zähne über dem Slogan ›Wir haben nichts zu verheimlichen. Und Sie?‹.
Sein Wahlspruch
gefiel mir, seinen Wählern anscheinend weniger, denn er hatte die Wahl nicht gewonnen.
»Sagen Sie, Frau Kochmann, mit welchem Spruch hat der jetzige Bürgermeister für
sich geworben?«
»Er brauchte
keinen, denn er war zum Schluss der einzige Kandidat. Von einem Tag auf den anderen
waren alle Wahlplakate von Roman Czarnecki verschwunden.«
»Fand er
sich doch nicht gut getroffen?«
»Was reden
Sie bloß, er hat seine Kandidatur zurückgezogen.«
»Wieso das?«
Vorsichtig
schob sie das Plakat zurück hinter die Kommode. »Heute weiß ich nicht mehr, worum
es ging. Wirklich nicht. Es gab da einen Zeitungsredakteur, der davon in der lokalen
Zeitung ›Riesengebirge Heute und
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