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Vom Liebesleben der Stechpalme: Roman (German Edition)

Vom Liebesleben der Stechpalme: Roman (German Edition)

Titel: Vom Liebesleben der Stechpalme: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Kolenda
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mutterseelenallein und hilflos.«
    Etwas am
Klang seiner Stimme gefiel mir nicht. Zu meinen guten Charaktereigenschaften gehört,
dass ich nicht zu Eifersucht neige. »Arm ist sie nicht mehr«, sagte ich nur leicht
streitsüchtig.
    »Du hast
recht. Überlege es dir in Ruhe, ob du bei mir mitmachst. Lass dir Zeit. Ich warte
so lange. Übrigens, ich habe etwas für dich.« Er zog ein schmales Päckchen aus seiner
Jacketttasche und drückte es mir in die Hand.
    Gespannt
schälte ich die Schachtel von Schleifen und Glanzpapier frei. »Eine Uhr! Toll! Im
Moment brauche ich allerdings keine. Gerade habe ich eine neue bekommen, ein Werbegeschenk
von meiner Weinhandlung.«
    »Das ist
nicht irgendeine Uhr! Eine echte Omega! 18 Karat Gold, das Armband aus Alligatorenleder.«
    »Von Zuchtalligatoren?«
    »Wenn du
auf die letzte Nacht anspielst, dann, ich bitte dich, sei nicht so bissig. Wir holen
das nach. Leg sie an, bitte.«
    Na gut,
ich tat, wie mir geheißen, mein Handgelenk erstrahlte in neuem Glanz. »Willst du
mich etwa verführen? Im Kartoffelfeld?«
    »Es tut
mir leid wegen letztem Mal, wirklich. Ich wusste nicht, dass das Bett so verrostet
ist, dass es sofort zusammenbricht. Warum bist du gleich abgehauen? Der Notarzt
hat die Matratzenfeder ganz flink aus meinem Oberschenkel rausgezogen. Und was macht
deine Schulter?«
    »Ist heute
viel besser. Nur eine leichte Prellung und blaue Flecken.«
    Wir beschlossen,
keine altersschwachen Betten mehr zu strapazieren. Über dies und das plaudernd fuhren
wir weiter.
    Bald kamen
wir in der Stadt an, parkten in einer Nebenstraße, gingen zu Fuß zum Rathausplatz
und setzten uns in ein Café im Schatten der Arkaden. Eine Kellnerin, der man sofort
ansah, dass sie im Leben viel mehr vorhatte, als in einem Provinznest dahinzudämmern,
gähnend an die Theke lehnte. Nach einer Weile bahnte sie sich ohne Hast den Weg
durch die leeren Tischreihen und blieb bei uns stehen. Ihren Kopf mit den vielen
bunten Zöpfen warf sie zurück, stemmte die Hände in die Hüften, stellte ein Bein
nach vorn und lächelte über unsere Köpfe hinweg in die unsichtbare Kamera. »Sie
wünschen?«
    Jan bestellte
›Hawaiisommer‹; ich entschied mich für den ›Grünen Hirschberger‹, woraufhin die
Kellnerin in Richtung Bar rief: »Marian, haben wir noch Waldmeister?«
    »Nöö«, kam
die Antwort. »Ausgegangen.«
    »Dann nehme
ich den ›Roten Hirschberger‹«, sagte ich.
    »Marian,
ist Himbeersirup da?«
    »Nöö, nur
Blaubeeren«, hallte es zurück.
    »Also, ›Lila
Hirschberger‹ geht noch.«
    »Nur lila?«
    »Also, ja
oder nein. Ich habe zu tun.«
    »Ja.«
    Die Kellnerin
verzog den Mund, verdrehte die Augen und ging kopfschüttelnd weg.
    Der ›Lila
Hirschberger‹ schmeckte wie ein vertrautes Gemisch aus Wasser und Sirup. Augenblicklich
fühlte ich mich in meine Kindheit zurückversetzt: An diesem Tag hatte ich wie schon
so oft mit einem Złoty in der Hand vor einem Getränkewagen gewartet; im Volksmund
›Zerstreuer der Tuberkelbazillen‹ genannt . Die Verkäuferin spritzte ein paar
Siruptropfen in ein Glas und hielt es unter eine Düse, aus der Wasser herausschoss.
Gierig griff ich nach dem Glas mit fast durchsichtiger Schaumkrone und trank es
leer. Im nächsten Moment riss die Verkäuferin es mir aus der Hand und spülte es
kurz in einem Eimer mit trübem Wasser aus. Dann hatte sie sich brüsk an den nächsten
gewandt: »Mit Sirup oder ohne?«
    »Herrliches
Getränk«, sagte ich verträumt. »Macht sofort 30 Jahre jünger.«
    Besorgt
sah Jan mich an. »Soll ich noch eins bestellen?«
    »Nein, lass
gut sein. Sonst werde ich noch ganz kindisch. Erzähl mir lieber von Wanda und Roman.«
    Die Kellnerin
stolzierte langsamen Schrittes heran und stellte eine Glasschale auf den Tisch.
Auf dem trüben Wasser schwammen verwelkte Rosenblätter. Das Getränk kam mir verdächtig
vor. »Was ist denn das?«
    Die Zöpfchen
auf ihrem Kopf zitterten, sie warf mir einen vernichtenden Blick zu. »Dekoration.
Zur Entspannung.«
    Jan steckte
eine Zigarre in den Mund und wiederholte: »Von Wanda und Roman. Hm, ich weiß nur,
dass Roman kein Schürzenjäger war.«
    »Und Wanda?«
    »Wanda?«
Er griff nach seinem Glas. »Was ist mit ihr?«
    »Ob sie
einen Liebhaber hatte?«
    »Wen denn?
Ach was! Keine Ahnung.«
    Sein Handy
klingelte, er stellte sein Getränk auf den Tisch, die Ananasscheibe löste sich vom
Glasrand und fiel zu Boden. Das Gespräch dauerte nicht lange, Jan schob sein Handy
in die Jackentasche und

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