Vom Liebesleben der Stechpalme: Roman (German Edition)
zu
spät.
Wanda erhob
sich zornig aus dem Sessel. »Ich habe Sie sofort durchschaut. So dumm bin ich auch
nicht. Sie sind eine Spionin vom Finanzamt.«
Mein Notizbuch
verschwand in meiner Jackentasche. »Nein! Lassen Sie mich Ihnen alles erklären!«
Die kleine
Frau war nicht im Geringsten an meiner Erklärung interessiert. Sie beendete unsere
Unterhaltung, als Sie mit dem Schnapsglas meinen Kopf nur knapp verfehlte. »Raus
mit dir, du dreckige Schnüfflerin!« Dann griff sie nach einer robusten Whiskyflasche.
Wenn Argumente
es in sich haben, lasse ich mich überzeugen. Schnell fand ich die Ausgangstür.
In der Mittagshitze schlenderte
ich die Straße runter und schwitzte. An der Straßenecke erblickte ich eine Cafeteria.
Halb verdurstet betrat ich den kleinen Raum, nicht besonders kühl und noch weniger
einladend. Die Einrichtung bestand aus Plastikstühlen und kleinen Tischen, deren
Wachstuchtischdecken, wenn sie sprechen könnten, die Geschichten des Sozialismus
aus eigener Erfahrung erzählen würden. Die Bedienung stammte aus ungefähr derselben
Zeit. Etwas Kaltes wäre nicht schlecht, aber kein Bier. Was Sie mir anbieten könnte,
fragte ich.
»Kalten
Kaffee«, antwortete die Frau.
Na gut,
ich schlürfte den Kaffee und machte mir Notizen über Wanda. Es waren nicht viele
Sätze, schnell war ich fertig und stand auf. Die Frau ordnete ihren Dutt aus grauen
Haaren und trippelte herbei. »25 Złoty, Lady.«
»Wie bitte?«
»Na, dann
20 Złoty«, murmelte sie.
»Für einen
doppelten Espresso?«
»Lesen Sie
keine Zeitung? Alles wird teurer. Von einer Minute auf die andere.«
»Nein«,
entschied ich. »So viel zahle ich nicht.«
Sie sah
mich kopfschüttelnd an. »Erst mal stundenlang im Kühlen sitzen und dann nicht bezahlen
wollen. Das möchte ich auch mal gerne. Zehn Złoty.«
Na bitte,
es ging auch vernünftiger. Ich gab ihr das Geld, und sie lächelte mich an. »Was
haben Sie geschrieben, einen Liebesbrief?«
»Nein, über
Frau Czarnecka. Ich schreibe eine Geschichte über sie und ihren Mann. Für eine deutsche
Zeitung.«
»Gibt’s
auch Geld für so was?«
»Ja, selbstverständlich.«
Ohne sichtbaren
Erfolg strich sie ihre zerknitterte Schürze glatt. »Unter vier Augen, ich könnte
Ihnen mehr über den feinen Herrn Czarnecki erzählen. Das ist aber eine lange Geschichte.«
»Ich habe
Zeit.«
»Und was
möchten Sie dazu trinken? Ein kaltes Bier gefällig?«
»Ja, bitte.«
»Das wird
Sie 50 Złoty kosten, Lady.«
»50! Dafür
müssen Sie lange erzählen. Mindestens einen Kasten Bier lang.«
»Na klar.
Die Bezahlung im Voraus.«
Das Geld
steckte sie in die Schürzentasche, dann brachte sie mir eine Flasche Bier. »Roman
Czarnecki, Gott hab ihn selig, war ein großer Sünder.«
»Er führte
doch eine vorbildliche Ehe.«
»Ja, das
schon. Ich meine, vor der Ehe.«
»Was gab’s
denn damals?«
»Wollen
Sie das wirklich wissen? Noch ein Bier?«
»Schon wieder?
Das erste habe ich noch nicht angerührt. Aber gut, diesmal für drei Złoty. Wie es
auf der Karte steht.«
Tief seufzend
latschte sie zum Tresen und kam mit einer weiteren Flasche Bier zurück. »Geiz ist
eine große Sünde.«
»Warten
Sie, es gibt Trinkgeld.«
»Dann ist
es gut. Eins sage ich Ihnen, Herr Czarnecki war ein Schwein. Und seine Frau Wanda
ist ein Engel.«
»Da haben
die beiden wirklich nicht zusammengepasst.«
»Sage ich
doch, so eine wie Wanda findet man selten.«
»Was ist
denn so besonders an Wanda?«
»Sie ist
ein Engel.«
»Na gut.
Tut sie was als Engel?«
»Sie hilft
in der Kirche. Wir haben uns dort kennengelernt. Es ist bei uns so: Die krumme Anne
macht Blumen, die alte Bronka die Altarkerzen, ich sehe immer nach dem Rechten bei
der Morgenandacht, die verrückte Ela kommt abends, die versorgt unsere …«
»Ja, interessant«,
unterbrach ich. »Die Engel haben wir durch, jetzt zurück zum sündhaften Leben des
Herrn Czarnecki. Was wissen Sie darüber?«
Die Frau
faltete die Hände und blickte hinauf. »Der Gotteszorn hat ihn umgebracht.«
»Und warum?«
»Es ist
so, pfui Teufel, ekelerregend, dass ich«, sie schüttelte sich, »dass ich nicht darüber
reden kann.«
»Und wenn
ich noch etwas bestelle?«
»Nun ja,
der Seitenaltar braucht eine Fußbank.«
Im Nu bekam
ich zwei teure Biere und als Zugabe den Bericht über eine Geburtstagsparty vor mehr
als fünf Jahren.
»Die krumme
Anne hat mindestens 20 Nackte im Garten vom Czarnecki rumlaufen sehen. Stellen Sie
sich das vor, Lady! 20
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