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Vom Liebesleben der Stechpalme: Roman (German Edition)

Vom Liebesleben der Stechpalme: Roman (German Edition)

Titel: Vom Liebesleben der Stechpalme: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Kolenda
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klemmte ich mir unter
den Arm und verließ die Pension. Von Weitem sah ich einen Mann, der um Kurts Kombi
herumschlich.
    »Hey, hey!«,
rief ich. »Hände weg von meinem Auto!«
    Statt die
Flucht zu ergreifen, lachte der Mann unverschämt. »Sehe ich wie ein Verrückter aus?
Ich will ja nicht daran kleben bleiben. Sie haben Ihr Auto unter einer Linde geparkt.«
    »Ach papperlapapp.«
Ich legte meine Hand auf das Autodach. »Das bisschen Klebstoff macht den Wagen nicht
schlechter. Mit Autodieben kenne ich mich gut aus.«
    Der Mann
krümmte sich vor Lachen. »Dieses Auto klauen?«
    »Warum nicht?«
    »Dieses
alte Auto?«
    »Na, na,
nicht noch frech werden. Der Wagen ist nicht mal zehn Jahre alt.«
    »Haha! Diese
alte Schrottkiste klauen!«
    Der unverschämte
Fremde lachte Tränen, dann zog er aus seiner Hosentasche eine zerknitterte Zigarettenpackung
und hielt sie mir entgegen. Immer noch kichernd.
    »Danke,
ich rauche nicht.«
    Ruhig steckte
er sich eine Zigarette in den Mund. »Besser so. Ich will auch aufhören.«
    Ich lehnte
mich an die Motorhaube. »Und was machen Sie hier, suchen Sie nach einer Selbsthilfegruppe,
um sich das Rauchen abzugewöhnen?«
    Nach einem
überstandenen Hustenanfall zeigte er in Richtung Pension. »Da wohnt meine Frau,
meine Exfrau.«
    »Sie sind
also …?«
    »Jerzy Kochmann.
Meine Frau hat bestimmt von mir erzählt.«
    »Ja, einiges.«
    Mit dem
Blick auf die Pension nahm er einen tiefen Zug. »Ich kann mir gut vorstellen, was.
Sie hat auch recht, ich bin ein Versager.«
    Mit dem
Absatz trat er seine Zigarette aus und verschwand im Gebüsch hinterm Haus. Eine
ganze Weile noch verharrte ich auf der Motorhaube wie eine Motte auf einem Klebestreifen.
Dann riss ich mich vom verschmierten Lack los, stieg ein und fuhr in die Stadt.
     
    *
     
    Eine alte, zweistöckige Villa dicht
umringt von Rosenbüschen schien wie Dornröschen in der Mittagssonne zu schlafen.
Ich drückte den Klingelknopf neben dem Schild ›Familie Czarnecki‹.
    Aus dem
Fenster unterm Dach schaute eine Hexe hinaus und krächzte: »Keiner da!«
    »Das trifft
sich sehr gut, da kann ich unbemerkt ins Haus kommen.«
    »Keinen
Schritt weiter! Wegen der Kleidersammlung können Sie am Mittwoch kommen.«
    »Danke.
Vorläufig brauche ich nichts Neues. Ich möchte Frau Wanda Czarnecka sprechen.«
    Das Fenster
fiel krachend zu. Die Gartenpforte sprang automatisch auf, von einer Hundehütte
löste sich eine schwarzhaarige Kugel mit Glubschaugen und schoss auf mich zu. Bevor
ich mich versah, wirbelte eine kleine Bulldogge um mich herum. Es war mir nicht
klar, was sie damit bezweckte, dem Hund selbst anscheinend noch weniger.
    Zuerst stieß
er mit seinem harten Kopf gegen meine Beine, lief weg, machte einen großen Bogen,
um erneut wie ein wütender Zwergstier meine Beine zu bestürmen.
    »Josephine,
komm zurück, aber husch, husch!«
    Ein Mädchen
in kurzem Kleid trat aus dem Haus und klatschte in die Hände. Die temperamentvolle
Josephine lief noch eine Weile aufgeregt hin und her, bevor sie wieder ihre Hütte
ansteuerte, über deren Eingang in verschnörkelten Buchstaben ›Josephine Baker‹ stand.
Das Mädchen blieb stehen und sah erwartungsvoll zu mir hinüber. Also ging ich den
Weg zwischen wilden Rosenbüschen hinauf. Es wartete, bis ich bei ihm ankam. Erstaunt
blickte ich ins Gesicht einer Frau, die ihre erste Jugend längst hinter sich hatte,
es aber offensichtlich nicht übers Herz brachte, sich von ihrer Mädchenkleidung
zu trennen. »Frau Czarnecka?«
    »Ja.«
    »Ein schrecklicher
Unfall, ich möchte Ihnen mein herzliches Beileid aussprechen.«
    »Wirklich?
Wie nett von Ihnen.« Sie schluchzte plötzlich auf, vergoss einige unsichtbare Tränen
und betupfte ihr Gesicht mit einem Stofftaschentuch, auf dem ich ein eingesticktes
Monogramm ausmachen konnte. »Leider kann ich mir Namen so schlecht merken. Besonders
jetzt.«
    »Mein Name
ist Valeska Lem.«
    »Ach ja.«
Sie biss sich auf die Unterlippe und sah mich an wie eine Schülerin, die ein Gedicht
nicht auswendig gelernt hat. »Kenne ich Sie?«
    »Ich bin
eine gute Bekannte von Jan Linde.«
    »Ach so.
Wie heißen Sie noch mal?«
    »Valeska
Lem.«
    »Ah, die
Valeska. Die vor 20 Jahren abgehauen ist.«
    »Na, sehen
Sie, Sie kennen mich doch.«
    »Was machen
Sie wieder hier?«
    »Die Erinnerung
auffrischen.«
    »Das sagen
alle. Dabei wollen sie nur billig Urlaub machen. Ich muss zurück ins Haus, ich werde
erwartet. Kommen Sie mit, wenn Sie unbedingt wollen.«
    Anmutig
wie eine

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