Vom Liebesleben der Stechpalme: Roman (German Edition)
Ende
der Jagd blies, erschien eine auf der Liste nicht aufgeführte Jägerin. Es war die
blutjunge Prinzessin Eliza Radziwiłłowna. Und was soll man dazu sagen, ›Das Herz
ist ein einsamer Jäger‹. Es dauerte nicht lange, und der junge Wilhelm war schwer
in sie verschossen. Eliza, wie man in ihrem inzwischen verschollenen Tagebuch nachlesen
konnte, war auch schwer angetan von der Anmut und Geschicklichkeit des Prinzen.
Hier ein Treffen unter einer Linde, da ein romantischer, fast intimer Ausflug in
die Berge. Nur eine vertraute Freundin, zwei Diener und zehn Soldaten begleiteten
die Verliebten.
Kurz und
gut, der Prinz war wild entschlossen, Prinzessin Eliza zu heiraten. Aber halt, es
meldeten sich Neider und Miesepeter zu Wort. Eine polnische Prinzessin sollte ihr
zwar edles, aber slawisches Gesäß nicht auf den deutschen Thron setzen! Niemals!
Das könnte so komplizierte politische Folgen haben, darüber wollte man nicht mal
nachdenken. Just in diesem Moment sprang der russische Zar in die Bresche, er erklärte
sich bereit, Eliza zu adoptieren. Folgerichtig wäre sie dann auf dem Heiratsmarkt
der europäischen Herrscher als Zarentochter deutlich aufgestiegen. Nebenbei hätte
ihr Adoptivvater ein Familienmitglied auf dem deutschen Thron. Auch nicht zu verachten
als wirksames Mittel gegen Langeweile bei Familientreffen. Gemeinsame Geburtstage
und andere Feierlichkeiten wären mit hitzigen Streitgesprächen über polnisch-deutsch-russische
Politik voll ausgefüllt. Doch auch dieser kühne Plan scheiterte. Wilhelm heiratete
schließlich eine gewisse Auguste aus Weimar, und viel später erst wurde er Kaiser
Wilhelm I. Die arme Eliza trauerte sehr, verlor zunehmend an Gewicht und kleidete
sich zu dünn. Im Jahre 1834 starb sie an Tuberkulose.‹
Kaum hatte ich die Seiten gelesen,
wählte ich Herrn Pechs Telefonnummer. »Was sagen Sie zu der folgenden Geschichte
aus besten Kreisen, die ich mit viel Zeit- und Geldaufwand recherchiert habe. Es
geht um die Vorfahren der adeligen Familie Robotka. Die Sippe soll mit einer Prinzessin
Eliza verwandt sein.«
Anschließend
las ich ihm die Geschichte vor. Er war so gerührt, dass er wehmütig seufzte: »Hätten
die beiden heiraten dürfen, dann wäre die Geschichte Preußens anders verlaufen.
Meinen Sie nicht, Frau Lem?«
»Bestimmt!
Das Erste, was Eliza eingeführt hätte, wäre die Rote-Beete-Suppe am Heiligabend
und slawische Tänze bei Hoffesten.«
Eine Weile
plauderten wir munter über die slawische und germanische Küche. Dann bemerkte Herr
Pech nörglerisch, dass er so seine Zweifel hat, ob diese alte Geschichte interessant
wäre. Zumindest für seine Leserinnen. Langsam keimte in mir ein Verdacht, dass er
keine Ahnung davon hatte, was die Leserinnen seiner Zeitschrift überhaupt lesen
wollten.
»Was ist
jetzt los?«, fragte ich streng. »Wo liegt Ihr Problem? Adel verkauft sich immer
gut.«
»Da haben
Sie natürlich recht, aber ich muss betonen, dass ich Geschichten mit einem glücklichen
Ende bevorzuge. Die Leserinnen meiner Zeitung ebenso. Das habe ich Ihnen bereits
gesagt. Die arme Eliza stirbt, wo ist da ein gutes Ende, bitte schön. Zum Schluss
erwarte ich einen verbindlichen Heiratsantrag, noch besser eine Hochzeit. Sie können
über die Nachkommen der Familie Robotka schreiben. Über den polnischen Zweig, versteht
sich. Ihren Wohnsitz malerisch darstellen, die eleganten Sitten. Eine süße Liebesgeschichte
werden Sie bestimmt irgendwie aufstöbern.«
»Herr Pech,
Sie Glückspilz, ich weiß bereits eine. Der junge Nicolai Robotka heiratet demnächst.«
»Na bitte,
da haben wir unsere Happy-End-Story, liebe Frau Lem«
Schnell
einigten wir uns auf den neuen Auftrag. Für die ›Unglückliche Prinzessin‹ würde
ich leider kein Honorar ausbezahlt bekommen. Nachdem wir uns dennoch mit besten
Wünschen verabschiedet hatten, schlug ich das Telefonbuch auf und fand die Adresse
der Familie Robotka.
Das Milieu,
in dem die Geschichte spielen würde, musste ich kennenlernen.
Eine Stunde später befand ich mich
in einer Straße mit alten, kräftigen Bäumen und altersschwachen Villenresidenzen.
Unter einer
dicken Schicht von Grünspan entzifferte ich den Namen Robotka.
Die Klingel
war mit einem Pflaster mit der Aufschrift ›Defekt‹ zugeklebt. Zwei Löwen aus Granit,
der eine ohne Vorderpfoten, der andere ohne Hinterteil, bewachten das Anwesen. Die
Villa in der Tiefe des Gartens war im Begriff würdevoll zu verfallen. Die eiserne
Eingangspforte
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