Vom Liebesleben der Stechpalme: Roman (German Edition)
schnellsten
voran.«
»Das würde
seinem Karma schaden.«
»Dafür haben
Sie ein neues Dach noch vor dem Winter.«
»Nein, ich
lasse mich nicht verleiten. Mit dem Tee habe ich mein inneres Gleichgewicht stabilisiert.
Weswegen sind Sie hier?«
»Wegen Ihrem
Mann.«
»Wieso?«
»Ich möchte
ihm das Foto zeigen. Er war doch Arzt, vielleicht hat er einen Mann mit Gesichtsnarbe
behandelt.«
»Mein Mann
schläft.« Sie zeigte mit dem Finger zur Decke. »Er braucht viel Ruhe. Er muss zu
seinem inneren Kind zurückfinden und …«
Lärm, als
würde das Dach über uns einstürzen, unterbrach ihre Worte, eine Tür über uns knarrte,
dann schritt Herr Robotka höchstpersönlich splitternackt die Treppe herab. »Was
für eine Freude, Frau Valeska. Wie geht es dem Bonaparte? Immer noch am Erobern?«
Frau Robotka
atmete langsam ein und aus und murmelte etwas. Danach lächelte sie gezwungen, band
ihrem Gatten eine Schürze um die Lenden und drückte ihn in einen Sessel. Sie bot
ihm sogar einen Tee an. Elegant schlug er seine dürren Beine übereinander, legte
seine linke Hand stilvoll auf das Knie. Vornehm führte er seine Tasse zum Mund und
verzog kurz darauf das Gesicht. »Grauenvoll. Du musst das Hausmädchen sofort entlassen,
meine Liebe.«
»Frau Lem,
worauf warten Sie!«, meinte Frau Robotka ungeduldig. »Zeigen Sie meinem Ehegatten
das Foto.«
In diesem
Moment klopfte Herr Matuschek ans Fenster und deutete auf einen Sandberg. Die Hausherrin
verdrehte stöhnend die Augen, drückte beide Zeigefinger an ihre Schläfen und murmelte:
»Loslassen, Gott überlassen. Loslassen, Herrn Matuschek überlassen«, und eilte hinaus.
»Selbst
schuld«, kicherte Viktor Emanuel. »Wir wollten umziehen. Ins Schloss von Alix. Aber
plötzlich hieß es nein. Verstehen Sie das?«
»Nein, nun
aber mal was anderes: Kennen Sie den Mann mit der Narbe?« Ich hielt ihm die Aufnahme
hin.
Als würde
er sich fürchten, kniff er die Augen zusammen, drehte sich auf seinem Stuhl und
versuchte, sich seiner Lendenschürze zu entledigen. Zum Glück war sie fest zugeknotet.
Die Tür
flog auf. Frau Robotka kam aufgelöst herein. »Der Blödmann«, stieß sie hervor, »hat
ein verdorbenes, dickes Karma. Ich muss ihn stark in meine Meditation einschließen.
Sonst sitzen wir den nächsten Winter ohne Heizung da, und durch das undichte Dach
regnet es rein.«
»Wollten
Sie nicht nach der Hochzeit ins Schloss ziehen?«, fragte ich.
»Eben«,
Herr Robotka klatschte sich auf die Schenkel. »Vielleicht doch ins Schloss, meine
geliebte Gattin?«
»Nein, kein
Umzug! Und vergessen Sie das Thema, Frau Lem.«
»Wenn das
so ist …« Viktor Emanuel schlug die Augen nieder und dachte nach, wie es schien.
»Dann lasse ich mich auch durch die Sterne beraten. Vielleicht sollte ich auswandern.
Nach Haiti. Heiße Nächte, Glut im Blut und …«
»Ich bin
dein Haiti«, unterbrach seine Angetraute. »Deine Insel der Glückseligkeit. Schon
vergessen?«
Er erschrak.
»Aber nicht wieder die kosmische Vereinigung.«
Beruhigend
tätschelte sie ihm den Kopf. »Aber nein, nur sieben Zeichen der Freude.«
Sie sah
das Foto in meiner Hand und fragte: »Viktor Emanuel, hast du einen deiner Patienten
erkannt?«
Gehorsam
drehte er sich zu mir. »Nein, ich kenne den Herrn nicht. Mein Patient war der Mann
nicht. Sonst hätte ich aus der Narbe ein sexy Grübchen gemacht. Aber fragen Sie
meine Tochter. Hier steht doch ›Dieb‹. Mit Dieben kennt sie sich sehr gut aus . «
»Was meinen
Sie damit?«, fragte ich.
»Nichts,
das war ein Scherz. Bitte.« Seine Frau gab mir die Aufnahme zurück. »Es war nett
mit Ihnen zu plaudern, Frau Lem.«
Leider kam
ich nicht dazu, weitere Fragen zu stellen, denn sie stand auf und schob mich unaufhaltsam
und stark wie eine große blaue Ozeanwelle zur Tür hinaus. Kurze Zeit später war
ich also draußen und schlenderte zum Gartentor. Der arbeitsscheue Matuschek siebte
den Sand so langsam, als würde er die Sandkörner zählen.
Eine Stunde später spazierte ich
durch den Eingang des Schönheitsinstituts und fragte an der Rezeption nach Alix
Robotka.
Die Empfangsdame
bedachte mich mit einem freundlichen Blick. »Ich bedaure, jetzt ist keine günstige
Zeit für Besuche, die Chefin ist sehr beschäftigt.«
»Mich würde
sie bestimmt gerne sehen, ich bin ihre Freundin, für Freunde muss man immer Zeit
haben. Das ist für die psychische Hygiene einer jeden Geschäftsfrau von großer Wichtigkeit.«
»Ja, ja,
das weiß ich selbst, das Institut
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