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Vom Liebesleben der Stechpalme: Roman (German Edition)

Vom Liebesleben der Stechpalme: Roman (German Edition)

Titel: Vom Liebesleben der Stechpalme: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maria Kolenda
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Mätresse trippelte auf mich zu und öffnete die oberen Knöpfe seines
Hemdes. »Greifen Sie ruhig zu. Wenn Sie mir danach Geld geben wollen, wird das keineswegs
beleidigend für mich sein. Wirklich kein Problem.«
    »Für mich
schon.«
    »Vergessen
Sie alle Skrupel. Ich habe große Pläne für unsere Zukunft.« Er schaute mir kokett
in die Augen. »Ich ziehe sofort zu Ihnen nach Berlin. Damit wir uns gegenseitig
beflügeln und beschenken, und auch wegen der Wohnung. Banal, aber ich muss hier
raus aus dem Loch.«
    »Wie kommen
Sie auf die Idee, dass ich Sie …?«
    »Durch berühmte
Vorbilder. Lenin und Krupskaja!«
    »Ich will
aber keinen neuen Lenin an meiner Brust großziehen.«
    »Meinetwegen.
Wenn Sie mehr freie Liebe wollen. Das andere Paar: der großartige Schriftsteller
Sartre und – wie hieß sie noch? – j a, Simone de Beauvoir! Liegt Ihnen
die Konstellation ideologisch näher?«
    »Zu altmodisch.
Wenn, dann zu dritt. Ich habe bereits jemanden in meiner Wohnung.«
    »Gar kein
Problem.« Seine immer noch blaue Gesichtshälfte überzog eine charmante Röte. »Wie
heißt denn die andere Frau?«
    »Ben.«
    »Auch eine
so herbe Erscheinung wie Sie?«
    »Im Gegenteil.
Sentimental und anschmiegsam. Wie Doggen eben so sind.«
    »Sie meinen
aber nicht …?«
    »Doch, eine
Deutsche Dogge.«
    Die Kratzspuren
im Gesicht meines angehenden Liebhabers zuckten ängstlich. »Wissen Sie, mit Sodomie
habe ich bis jetzt keine große Erfahrung. Sie verstehen, wir Provinzredakteure …«
    »Was ist
denn jetzt mit Ihnen? Ben würde sich freuen. Frisches Fleisch. Ich meine, zum Fressen
bekommt er selbstverständlich etwas anderes. Sie wären nur das Dessert.«
    »Ja, aber
…«
    »Wollen
Sie sich hochschlafen oder nicht?«
    »Aber nicht
mit einer Dogge!«
    »Und warum
nicht?«
    »Weil …,
weil das …, weil das …« In seinem Gesicht lieferten sich seine Gefühle eine wilde
Schlacht. »Weil …, weil das eine Deutsche Dogge ist.«
    »Und?«
    »Das«, er
warf den Kopf hoch, »würde meine patriotischen Gefühle verletzen.«
    »Schade.
Oder denken Sie noch darüber nach?«
    »Nein, nein«,
sagte er schnell. »Adieu.«
     
    Tief erschüttert wegen der starken
patriotischen Gefühle der jungen Generation kehrte ich in die Pension zurück. Kurt
war schon zurück und saß erwartungsvoll am Tisch. Die abgeholten Briefe legte ich
ihm sofort hin. Nachdem er sie durchgelesen hatte, sagte er resigniert: »Nichts.
Keine Spur.«
    »Wonach
suchst du denn?«
    »Nach dem
Franziskus aus der Kirche. Die alte Frau geht mir nicht aus dem Kopf.«
    »Und du
hast gehofft, der Dieb würde die geklaute Figur ehrlich bei dir abliefern?«
    »Etwas in
diese Richtung, vielleicht ein wenig komplizierter.«
    »Ach ja«,
stöhnte ich. »Es gibt nichts, was einfach wäre.«
    »Warum machst
du so ein tragisches Gesicht, Valeska? Ist etwas passiert?«
    »Ja, es
gibt zwei Neuigkeiten. Die erste: Jan ist frei.«
    »Das habe
ich bereits erfahren. Und die zweite?«
    »Die zweite:
Jan ist nicht mehr frei.«
    Stockend
erzählte ich von der wundersamen Madonna-Erscheinung und deren Folgen und gab zu,
dass ich diesem Wunder nicht gewachsen war und beschlossen hatte, das Feld zu räumen.
    Kurt dachte
eine Weile nach und sagte schließlich: »Du darfst das nicht so persönlich nehmen.«
    »Was, die
Schwangerschaft? Tu ich doch gar nicht. Ich freue mich sogar«, sagte ich bissig.
»Ich bin ja sehr kinderlieb.«
    »Wäre es
möglich, das du die Situation zwischen euch von Anfang an falsch eingeschätzt hast?«,
fragte er zögerlich.
    Darauf brauchte
ich wirklich nicht zu antworten. Zu dieser Erkenntnis war ich inzwischen allein
gekommen, denn ich verfügte über einen ausgesprochen scharfen Verstand und konnte
meine Lage immer richtig einschätzen. Leider erst im Nachhinein. Mit einem Lächeln,
das meine neu gewonnene Weisheit offenbarte, sagte ich: »Tja, rien
ne va plus.«
    Mein geduldiger
Zuhörer wendete seine Lieblingsmethode an, er breitete seine Arme aus. »Lass dich
trösten. Arme, arme Valeska.«
    »Nicht mehr.«
Zum Beweis öffnete ich meine gut gefüllte Handtasche. »Nicht mehr ganz so arm.«
    Er starrte
mich an. »Geld alleine macht aber nicht glücklich, Valeska.«
    Ein letzter
Blick auf die schönen Geldscheine, und ich klappte die Tasche zu. »Ich weiß. Wir
brauchen unsere Liebsten um uns herum. Wir holen Ben ab.«
     
    Als die Götter des Baumarktes durch
das Dorf gingen und ihre Gaben verteilten – pralle Zementsäcke, glänzende Dachziegel,
teure

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