Vom Liebesleben der Stechpalme: Roman (German Edition)
Details.
Kochmann hat den Zeugen bestochen, der Jan Linde zusammen mit Czarnecki im Auto
gesehen haben wollte. Die beiden Herren haben an dem Tag tatsächlich eine Autofahrt
gemacht, nur drei Stunden früher, Herr Linde stieg dann aus und ging seinen Geschäften
nach, wie er sagt. Später saß Kochmann im Auto mit Czarnecki und verließ ihn, bevor
es zum Unfall kam.«
»Wieso dieses
geheime Treffen im Auto?«
Inspektor
Kowalski freute sich. »Hat Kochmann Ihnen nicht alles erzählt? Mir schon. Er wollte
Czarnecki zur Rede stellen. In seiner blinden Eifersucht verdächtigte er Czarnecki
mit seiner Exfrau eine Beziehung zu unterhalten. Und außerdem wollte er noch über
etwas anderes reden. Über eine Bauaffäre, aber das sagt Ihnen bestimmt nicht viel.«
»Doch, doch!«
Ich nickte. »Hat Kochmann den Unfall verursacht?«
»Wir ermitteln
noch, was die genaue Unfallursache war. Der Wagen war komplett ausgebrannt.«
»Wir haben
eine Explosion gehört«, warf ich ein.
»Ich habe
schon zu viel gesagt, aber Sie wissen sicher von Herrn Linde, dass wir Beweise haben.
Im Auto explodierte Sprengstoff.«
»Wie? Eine
Bombe? Merkt man so was nicht als Fahrer?«
»Ach, Frau
Lem, Sie sind wirklich nicht auf dem neuesten Stand. Es gibt kleine, unauffällige
Geräte, die man überall am Auto befestigen und mit einer Fernsteuerung zeitgenau
zur Explosion bringen kann.«
Laut dachte
ich nach: »Herr Kochmann ist also ausgestiegen, und kurz darauf hat er den Wagen
in die Luft gejagt. Mit einer Fernbedienung? Und dann hat er den Verdacht auf Jan
Linde gelenkt.«
Der Inspektor
nickte. »Dieser Tathergang wäre möglich.«
»Es tut
mir leid, ich kann das nicht glauben.«
Meine Zweifel
weckten seinen Zorn. »Spielen Sie nicht wieder die Ermittlerin! Freuen Sie sich
lieber, dass wir Ihren Freund laufen lassen!«
Böse sagte
ich: »Jan Linde ist frei von jedem Verdacht. Die Anklage gegen ihn wird fallen gelassen,
oder?«
»Das ist
bereits passiert.«
»Na endlich!«
Ich war glücklich.
Er bedachte
mich mit einem listigen Grinsen. »Aber Vorsicht: Früher oder später ist Linde auch
dran. Zum Beispiel die Sache mit dem falschen Alibi, dass Sie ihm gegeben haben.
Was, frage ich, hat er zu diesem Zeitpunkt gemacht, dass er ein Alibi nötig hatte?«
Der Ton
seiner Stimme gefiel mir nicht, aber ich wollte keinen Streit, sondern mehr Informationen.
»Was passiert nun mit Herrn Kochmann?«
Mit der
flachen Hand schlug er auf den Aktenstoß. »Der Mann ist geständig. Eine Freude,
einen so kooperativen Kriminellen zu verhören. Herr Kochmann gab zu Protokoll, einige
bisher ungeklärte Verbrechen begangen zu haben. Darunter drei Morde und zwei schwere
Raubüberfälle.«
»Glauben
Sie ihm wirklich?«
»Nun, warum
nicht?«
»Er will
bloß sein schlechtes Image loswerden. Seine Frau beschimpft ihn als Versager.«
»Frau Lem«,
knurrte Inspektor Kowalski. »Was haben Sie noch an meiner Arbeit zu bemängeln?«
»Nichts.
Aber anscheinend ist hier in der Gegend nicht viel los. Sie stürzen sich buchstäblich
auf jeden, der Ihnen irgendeine erfundene Geschichte erzählt.«
Sein Lachen
war polternd. »Ich hätte nichts zu tun? Frau Lem, Sie haben die letzten Jahre verschlafen.
Bei uns ist immer was los. Die Marktwirtschaft hält die Polizei ganz schön auf Trab.
Seit 20 Jahren. Anfang der 90er-Jahre, nach dem Umbruch von einem Tag auf den anderen,
galten die alten Gesetze nicht mehr. Keine Planwirtschaft, keine Kontrolle. Einige
nutzten blitzschnell die neue Freiheit. Die Liste der neuen Millionäre liest sich
heute noch wie das Who’s who der vormals antisozialistischen Elemente. Es wimmelt
nur so von Geschäftsleuten, deren kleine private Geschäfte früher von der Regierung
bekämpft wurden, die aber heute blendend aufgestellt sind. Die Devisenhändler kauften
mit ihrem illegalen Geld ganz legal abgewirtschaftete Fabriken, ehemalige Parteifunktionäre
nutzten ihre früheren Beziehungen, um lukrative Aufträge zu ergattern. Doch das
Schlimmste …« Der Inspektor machte eine theatralische Pause.
»Was denn
noch? Fahren Sie ruhig mit Ihrem Vortrag fort.«
»Die falsche
Politik. Die aufeinanderfolgenden Regierungen waren der Meinung, dass die unsichtbare
Hand des freien Marktes eine regulierende Wirtschaftspolitik ersetzen könnte. Dazu
noch die verhängnisvolle Fehleinschätzung ehemaliger Dissidenten, dass mit dem Sturz
des Kommunismus alles von alleine einwandfrei und rechtmäßig funktionieren würde.
Kurzerhand hat man bei der
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