Vom Liebesleben der Stechpalme: Roman (German Edition)
hat recht behalten, Valeska.«
Ungeduldig
trommelte ich mit meinen Fingern auf der Tischkante. »Nicht schon wieder!«
»Doch, doch!«
Er zog erneut an seiner Zigarre und schaffte es, sein Gesicht hinter einer dicken
Rauchwolke zu verstecken. »Sie bekommt ein Kind von mir.«
»Wer, die
Schwarze Madonna?«
»Nein. Wanda.«
Das war’s
also. Fuimus Troes, Trojaner sind wir gewesen. Es war alles verloren. Die Margeriten
in der Vase senkten welk ihre Köpfchen. Aber nicht Valeska Lem. Ich stand auf und
marschierte erhobenen Hauptes zur Ausgangstür hinaus.
14.
Vor der Pension stieg ich aus und
schüttete, um die Fahrt zu bezahlen, den Inhalt meiner linken Jackentasche auf den
Beifahrersitz. Der Fahrer zählte das Geld, nickte zufrieden, drückte mir einen Zettel
mit seiner Rufnummer in die Hand und bat mich eindringlich, nur ihn anzurufen, wenn
ich vom Casino Polonia in Wrocław abgeholt werden wollte. Selbst den Papst persönlich
würde er aus seinem Taxi bugsieren, um zu mir zu eilen. Während der langen Fahrt
waren wir fast Freunde geworden. Aber nur fast, denn ich hatte ihm nicht mein Roulette-System
verraten, was er mir etwas übel nahm. Unglücklich wollte ich ihn nicht zurücklassen,
also beugte ich mich zu ihm und flüsterte: »Achten Sie immer auf die 17. Denn sie
ist weniger als die 10.«
Seine Augen
leuchteten auf, er küsste mir die Hand, stieg in sein Taxi und fuhr mit quietschenden
Reifen davon. Meine vollgestopfte Tasche klemmte ich mir unter den Arm und ging
ins Haus.
Im Frühstückszimmer
roch es nach Kaffee und frischen Brötchen. Die Pensionswirtin saß zerzaust am Tisch.
»Ich habe
auf Sie gewartet, Frau Lem.« Sie knallte ihre Kaffeetasse auf den Unterteller. »Und
wissen Sie auch, warum?«
Unsicher
blieb ich in der Tür stehen, bis dieses ›Rien ne va plus‹ samt folgendem verführerischen
Surren der Roulettekugel aus meinen Gedanken entwich. »Ich weiß wirklich nicht,
was Sie meinen.«
»Haha, das
wissen Sie nicht?«
»Nein, obwohl
… jedenfalls nicht so genau«, sagte ich schwach. Die letzte Nacht war aufregend
genug, ich brauchte keinen Streit, ich wollte schnell ins Bett. Beschwichtigend
fügte ich hinzu: »Es tut mir leid.«
»Ja, das
sieht man Ihnen deutlich an. So, wie Sie lachen. Sie wussten die ganze Zeit, dass
mein Mann sich gestellt hat und warum.«
Kraftlos
ließ ich mich auf einen Stuhl sinken. »Keine Angst, Ihr Exmann kommt bald frei.
Er hat nur einen Zeugen bestochen …«
»Aber Frau
Lem, mein Mann ist ein Schwerverbrecher, ein gesuchter Räuber und kaltblütiger Killer.«
»Nein, das
stimmt nicht!«
»Doch, doch,
er hat alles zugegeben.«
Ich fasste
mir an die Stirn. »Ist denn Ihr Mann ganz von Sinnen vor Liebe?«
»Warum auch
nicht?« Stolz warf sie ihr zerzaustes Haar in den Nacken. »Ich liebe ihn. Wenn er
rauskommt, werden wir wieder heiraten. Ich kriege schon jetzt Gänsehaut, mit einem
so dreisten Mörder ins Bett zu gehen, ufff!«
»Tja, ich
habe Ihnen das Liebesglück versehentlich zurückgebracht. Sie müssen mir dankbar
sein.«
»Das bin
ich auch.« Sie goss Kaffee in meine Tasse und reichte mir drei Brötchen herüber.
Mein Handy
klingelte. »Jan?«, fragte ich hoffnungsvoll.
»Nein. ›Riesengebirge
Heute und Morgen‹. Würden Sie bitte Ihre Anzeigenantworten in der Redaktion abholen?«,
forderte mich eine mir bekannte Stimme auf. »Heute noch, wir machen Urlaub.«
Es handelte
sich um die Anzeige von Kurt. Herr Schöne sei früh spazieren gegangen, erklärte
die Pensionswirtin. Sie wisse nicht, wohin oder wann er zurückkomme. Sein Auto parkte
vor der Pension, also stieg ein und fuhr in die Stadt.
Nach einer Stunde erreichte ich
die Straße, in der Fassadenputz lauter herabrieselte, als die Straßenbäume raschelten.
Der Chefredakteur überreichte mir einen Stapel Briefe für Kurt, ich packte sie ein.
»So«, sagte
er feierlich. »Und jetzt zu uns. Die Koffer habe ich fertig gepackt.«
»Na dann«,
ich ging zur Tür. »Gute Reise.«
»Holen Sie
mich nicht ab?«
»Wieso?«
»Ich verstehe.«
Er fuhr sich mit der Hand über seine Haare. »Wegen der Öffentlichkeit. Sie, eine
Frau in den besten Jahren, und ein junger Liebhaber. Aber ich bin bereit, den Umstand
mit Würde zu tragen.«
»Was? Was
wollen Sie mit Würde tragen?«
»Von Ihnen
ausgehalten zu werden. Sie dürfen …« Er schlug die Augen nieder. »Sie dürfen mich
dabei sexuell ausnutzen. Wie eine Mätresse. Wollen Sie?«
»Nein!«
»Doch!«
Meine angehende
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