Vom Liebesleben der Stechpalme: Roman (German Edition)
schlug ein Picknick im Wald vor. Wegen der besänftigenden Wirkung rauschender
Laubbäume. Falls wir nur Nadelbäume vorfinden würden, auch gut. Sie verströmten
einen beruhigenden Duft.
»Nein. Keine
Zeit. Ein Picknick ist das letzte, woran ich denke. Ich habe zu tun, ich muss weiter
an meinen Liebesgeschichten basteln. Zu viel Zeit habe ich durch diese bescheuerte
kriminalistische Geschichte, diesen beknackten Diebstahl verloren.«
Seine Augen
leuchteten auf, er schwang hektisch seinen Spazierstock und hing an meinen Lippen.
»Und, aufgeklärt?«
»Nein. Das
ist jetzt eh egal. Das geht nur Jan was an. Es war seine Papstskulptur.«
»Valeska,
übernommene Fälle muss man aufklären. Erzähl mir mal alles, was du weißt.«
»Nein. Ich
wollte Jan aus der Patsche helfen. Jetzt ist mir das vollkommen egal.«
»Es geht
um das Berufsethos eines Detektivs, auch bei einer unerfahrenen Amateurdetektivin
wie dir.«
Eine Weile
lang stritten wir darüber, dann hatte er mich schließlich überredet. Wir packten
Proviant für den Ausflug ein und verließen die Pension. Ohne Ben, der es vorzog,
mit der Wirtin zum Metzger zu gehen. Woher er wusste, was sie vorhatte, war mir
ein Rätsel. Wir folgten der Straße bergauf, stiegen den bewaldeten Hang immer höher,
bis wir uns auf einer Waldlichtung im Schatten einer Buche niederließen. Kurt sagte,
dass es hier sehr gut nach Pilzen rieche. Nach einer Sahne-Pilzsoße, die zu gebratenem
Fleisch exzellent schmecken würde, aber natürlich sehr, sehr ungesund wäre. Das
wäre ihm im Laufe seiner Käse-Wasser-Diät bewusst geworden. Die Nebenwirkung der
Diät wäre aber, dass er überall verbotenes Essen rieche.
Mit gesenktem
Kopf spazierte er im Kreis herum, schloss ab und zu die Augen und scharrte mit seinem
Spazierstock im Unterholz. Als ich ihn fragte, ob er zu meiner Erheiterung einen
blinden Pilzsammler vorführe, lächelte er herablassend. Das würde ich nie verstehen,
aber er würde gerade üben, die Pilzsorten herauszuriechen. Ein Privatdetektiv könnte
so eine Fähigkeit sehr gut gebrauchen. Das verstand ich wirklich nicht, denn meine
Geruchsnerven wurden nicht mal an der Käsetheke im Supermarkt richtig aktiv. Im
Baumschatten breitete ich die Decke aus und stellte den Korb mit Bierflaschen darauf.
Der eifrige Spaziergänger sah mich tadelnd an und sagte, meine hektischen Trinkgewohnheiten
störten seine Konzentration. Geräuschlos öffnete ich eine Flasche, doch auch das
gefiel ihm nicht. Der Biergeruch brachte angeblich seine Riechrezeptoren durcheinander.
Mit düsterem Blick hängte er Tropenhelm und Spazierstock an einen Ast und setzte
sich zu mir auf die Decke.
»Also, Valeska,
wenn du mich schon so hinterhältig von meiner kontemplativen Schnupperübung ablenkst,
dann sag endlich: Was ist mit dem nicht aufgeklärten Diebstahl?«
»Nichts.
Morgen fahre ich nach Wrocław, Nicolai Robotka besuchen. Seine Liebesgeschichte
muss ich auf Biegen und Brechen zu einem Happy End führen, sonst explodiert Herr
Pech. Und dann können wir endlich abreisen.«
»Wann?«
»In zwei,
höchstens drei Tagen.«
»Warum so
schnell?«
»Und warum
nicht? Mein Einsatz als Glückbringer ist beendet. Sonst wird die Bevölkerung ein
Denkmal für mich aufstellen müssen. Mit folgender Aufschrift auf dem Sockel: ›Dank
an die unvergessene Valeska Lem, die Glück und Segen über unser Hirschberger Tal
gebracht hat. Unsere Ehemänner mutierten zu Helden, unsere Jungfrauen bekamen hübsche
Kinder und unsere Dorfköter doggenähnliche Welpen.‹« Ich nahm einen großen Schluck
aus der Flasche.
Kurt schielte
auf mein Bier. »Schmeckt ’s?«
»Es geht. Ż ywiec mag
ich lieber.«
»Ich auch«,
murmelte er und fügte streng hinzu: »Wir sollten uns jetzt nicht mit Biersorten
aufhalten. Zurück zum Fall ›Papststatue‹. Was hast du bisher herausgefunden?«
»Nichts.«
»Trink nicht
so hastig.« Er leckte sich die Lippen. »Du hast bestimmt etwas herausgefunden.«
»Was genau
willst du wissen?«
»Alles.«
Und ich
erzählte fast alles.
Danach sah
mich Kurt fassungslos an. »Das alles soll ich dir glauben?«
»Aber was
begreifst denn nicht? Die Sache ist einfach: Edy Cop wusste, wer die Papstskulptur
geklaut hat. Diese Information wollte er mir verkaufen – nicht die blöde Kiste,
wie ich zuerst dachte. Im Nachhinein hab ich das verstanden. Edy bestellte mich
in seine Wohnung, trank in der Zwischenzeit eine ganze Flasche mit Methanol angereicherten
Wodka und schweigt nun für immer.
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