Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Vom Mondlicht berührt

Titel: Vom Mondlicht berührt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Plum
Vom Netzwerk:
Samt bezogene Holzstühle standen vor der kniehohen Balustrade.
    »Heiliger Strohsack. Das ist nur für uns?«, fragte ich und fühlte mich, als hätte ich einen Liebesroman betreten.
    »Findest du’s in Ordnung?«, fragte Vincent zögerlich.
    Ich drehte mich zu ihm und warf ihm die Arme um den Hals. »In Ordnung? Ich bitte dich, das ist einfach unglaublich.« Er musste lachen, weil ich, ohne ihn loszulassen, in einem Anfall von zügelloser Freude auf und ab hüpfte.
    Bald saßen wir in unserer Privatloge und verfolgten die ersten beiden Akte von Fürst Igor. Anfangs fiel es mir schwer, mich zu konzentrieren – schließlich saß Vincent nur wenige Zentimeter neben mir und malte mit seinen Fingern gedankenverloren kleine Kreise auf mein Knie. Doch nach ein paar Minuten zogen mich das Bühnenbild und die Kostüme ganz in ihren Bann, ich war wie gefesselt von den akrobatischen Kunststücken der Tänzer. Als eine Stunde später der Vorhang fiel und das Licht wieder anging, fühlte es sich an, als würde ich aus einem Traum erwachen.
    »Und, wie gefällt’s dir?«, fragte Vincent, während wir unsere Plätze verließen.
    »Es ist bezaubernd. Ganz und gar bezaubernd.«
    Er lächelte zufrieden, hielt mir seinen Arm hin und sagte: »Zeit für die promenade.« Er führte mich aus unserer Loge in den Flur. Wir folgten anderen Paaren in einen großen goldenen Saal mit ausladenden Kronleuchtern und Deckenmalereien, die mich wegen der vielen Engel und fantastischen Wesen an die Fresken von Michelangelo in der Sixtinischen Kapelle erinnerten.
    »Möchtest du etwas trinken? Ein Glas Champagner? Eine Flasche Wasser?«, fragte Vincent, doch ich schüttelte den Kopf, denn die Schlange reichte von der Theke durch die Hälfte des Saals.
    »Ich möchte mich lieber ein wenig umsehen«, sagte ich und klammerte mich an seinen Arm, damit ich vor lauter Staunen nicht ins Stolpern geriet.
    Wir erkundeten jeden Winkel, den das Gebäude zu bieten hatte. Jeder Saal führte in einen weiteren, der noch umwerfender war als der vorherige. Als wir wieder vor der Tür zu unserer Loge standen, fragte Vincent: »Möchtest du dich noch weiter umsehen? Wir haben noch ein bisschen Zeit.«
    Ich zögerte. Obwohl ich den schönen Abend nicht damit verderben wollte, ihn über etwas auszuquetschen, worüber er nicht reden wollte, entschied ich, dass es nicht schaden konnte, es einfach mal anzusprechen. »Nein, lass uns reingehen«, sagte ich. Und schon saßen wir auf der Chaiselongue, grinsend wie Kinder, die heimlich die Klamotten ihrer Eltern anprobieren.
    »Das ist doch etwas anderes, als bei mir zu Hause einen Film zu gucken und Pizza zu essen. Findest du es komisch?« Er sah mich bei dieser Frage leicht schief an. Seine Haare fielen quer über sein Gesicht und er grinste, was die Flamme, die sowieso schon in meiner Brust brannte, noch ein wenig stärker auflodern ließ.
    »Nein, ich finde es nicht komisch«, antwortete ich. »Um ehrlich zu sein, hätten wir auch Kegeln gehen können und ich hätte genauso viel Spaß gehabt. Es ist ganz egal, was wir unternehmen, solange wir zusammen sind.« Diese Worte hatten kaum meine Lippen verlassen, da brach ich auch schon in Gelächter aus. »Puh, was für ein Spruch. Wie in der Sprechblase von einem flauschigen Kätzchen auf einem schlechten Poster. Der Kitschfaktor hat die Schallmauer durchbrochen!«
    »Ziemlich kitschig, ja«, stimmte er zu. »Aber ich habe genau das Gleiche gedacht. So geht es mir, seit ich dich kennengelernt habe.« Er lehnte sich zu mir herüber, sein Mund berührte sanft meinen Halsansatz.
    Unwillkürlich schloss ich die Augen. Konzentrier dich , ermahnte ich mich. Es gibt Wichtigeres , als mit deinem Freund in der Oper rumzumachen. »Vincent«, sagte ich und rückte weit genug von ihm ab, um ihm in die Augen sehen zu können. »Ich möchte diesen wundervollen Abend zwar nicht vermasseln, aber ich muss dir etwas sagen.« Ich sah, wie er blass wurde, und schob deshalb schnell die anderen Worte hinterher. »Du hast mir versprochen, keine Geheimnisse vor mir zu haben. Doch irgendwie fühlt es sich so an, als wäre das, was du für Jean-Baptiste erledigen solltest oder was auch immer du gestern gemacht hast, genau das: ein Geheimnis. Und weil du noch dazu so tust, als wäre es nicht wichtig, habe ich das Gefühl, du traust mir nicht zu, damit klarzukommen. Ich kann es nicht anders sagen, aber ich fühle mich bevormundet.« So. Jetzt war es raus. Das konnte er nun nicht einfach mit Küssen

Weitere Kostenlose Bücher