Vom Mondlicht berührt
ich in meinem bisherigen Leben bereits Hunderte Croissants gegessen, schließlich hatte ich jeden Sommer meiner Kindheit in Frankreich verbracht. Trotzdem war und blieb jedes einzelne Croissant, das ich aß, eine gebackene Offenbarung. Ich zog ein schmales Stückchen ab, steckte es mir in den Mund und spülte es mit einem Schluck meines dampfenden Café creme hinunter.
Die Viertelstunde, die Papy brauchte, um mir alles zu erklären, was ich für das Betreiben seines Geschäfts wissen musste, zog sich hin wie mehrere Stunden. Doch irgendwann trat er endlich hinaus in das helle Sonnenlicht, lüftete kurz in Altherrenmanier zum Abschied seinen Hut und entfernte sich.
Sobald er außer Sichtweite war, verließ ich den schummrigen vorderen Teil des Geschäfts und ging durch den Flur in die hell erleuchteten hinteren Privaträume. Ladenbesucher mussten so oder so klingeln, um das Geschäft zu betreten, da war es wohl nicht schlimm, wenn ich mal eben nicht hinter der Ladentheke stand.
Es dauerte nicht lange, bis ich mich durch den Buchbestand in Papys Geschäftsbüro gearbeitet hatte. Die meisten Exemplare waren Auktionskataloge oder wissenschaftliche Abhandlungen über Kunst und Architektur verschiedener Epochen, erschienen im zwanzigsten Jahrhundert. Meine kürzlich erworbene Erfahrung sagte mir, dass ich darin nichts über Revenants finden würde.
Ich warf einen schnellen Blick in den Verkaufsraum, um sicherzustellen, dass auch niemand vor der Tür wartete. Als Nächstes knöpfte ich mir die restlichen Räumlichkeiten vor, unter anderem das kleine Zimmer, in dem Papy seine Neuerwerbungen begutachtete. Ich schaltete das Licht ein und stöberte nach etwas, was hilfreich sein könnte. Ein paar alte Bände lagen auf einem Tischchen, daneben Handschuhe und ein Vergrößerungsglas. Ich streifte mir die Handschuhe über und öffnete einen dieser Wälzer. Es musste sich um ein historisches Dokument handeln, denn es waren Güter aufgelistet und mit Daten versehen. Wahrscheinlich stammte es aus der Buchhaltung eines Königs oder Lehnsherren und verzeichnete erhaltene Abgaben. Ich blätterte ein paar Seiten weiter. Auch dort nur Zahlen und Auflistungen. In keinem der anderen Bücher fand ich etwas von Interesse.
Ich dachte einen Moment lang nach. Papy bot in seinem Geschäft nur Kunstgegenstände, Skulpturen und Werke aus Metall an. Manchmal kaufte er ganze Nachlässe auf und gab die wertvollsten Bücher und Manuskripte dieser Bestände an befreundete Buchhändlerkollegen weiter, damit diese sie für ihn verkauften. Wenn er viel zu tun hatte, stapelten sich die Waren in seinem Lager, bis er Zeit fand, sie zu sondieren. Meist warteten dort besonders die Bücher und Drucke darauf, von ihm durchgesehen und weitergeleitet zu werden. Darum machte ich mich nun auf den Weg zu Papys Lagerraum, der sich am Ende des Flurs befand. Ich drückte die Klinke nach unten. Abgeschlossen.
Papy trug seine Schlüssel immer bei sich, doch vielleicht hatte er irgendwo im Laden einen Ersatzschlüssel hinterlegt. Sofort lief ich zur Ladentheke und durchforstete die Schubladen. In einem der unteren Schubfächer war ein kleiner Schlüssel mit Klebeband weit hinten an eine der Seitenwände geklebt worden. Vorsichtig machte ich ihn ab, flitzte zurück zum Lagerraum und atmete erleichtert auf, als er problemlos ins Schloss passte und sich drehen ließ.
Im Lager erwartete mich ein Stapel von vier Kisten mit der Aufschrift
Nachlass Marquis de Campana.
Papy hatte das Kaufdatum auf die Seite des Kartons gekritzelt, es lag erst ein paar Tage zurück. Wie ich Papy kannte, hatte er die wichtigsten Gegenstände aus dem Nachlass schon im Laden stehen und alle sonstigen Stücke erst einmal ins Lager verfrachtet, bis er die nötige Zeit fand, jedes einzelne davon zu katalogisieren. Ich zog eine der Kisten hervor und öffnete sie. Sie war voller kleiner Stoffbündel. Alles Götterminiaturen aus Metall, wie sich herausstellte, nachdem ich ein paar ausgewickelt hatte. Ich schlug sie wieder ein und legte sie zurück.
Im nächsten Karton befanden sich viele winzige Plastiktüten mit altem Schmuck und gravierten Steinen – solche Schmucksteine wurden oft für Siegelringe verwendet. Intaglien hatte Papy sie mir gegenüber einmal genannt. Ich nahm einen heraus, um ihn näher zu betrachten. Er war aus Jade, oval und verziert mit dem Bild von Herkules, der das Löwenfell trug. Obwohl ich dank Papy von Kindesbeinen an in Kontakt mit Kunstgegenständen gekommen war, durchfuhr
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