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Vom Mondlicht berührt

Titel: Vom Mondlicht berührt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Amy Plum
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Außerdem standen noch so viele Werke in Gaspards »Ungelesen« Regal, dass er es sicher erst einmal nicht vermissen würde.
    »Bist du schon fertig mit dem Schlangenstudium?«, fragte Violette scherzhaft.
    »Ähm, ja«, brummte ich leise, schon auf dem Weg zur Tür. »Dann bis später. Ich schick dir ’ne SMS mit meinen Filmvorschlägen.«
    Sie lächelte und winkte mir zu, bevor sie zum Zettelkatalog ging.
    Als ich die Tür hinter mir schloss, brach eine Welle von Schuldgefühlen über mich herein. Was, um Himmels willen, machte ich da gerade? Zwar war ich mir sicher, dass es weder JB noch Gaspard etwas ausmachte, wenn ich mich in der Bibliothek umsah. Aber einfach ein altes, wertvolles Buch mit nach Hause zu nehmen, war noch mal eine ganz andere Nummer. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass sie darüber sonderlich erfreut sein würden. Ich bring es morgen wieder zurück , sagte ich mir. Dann verließ ich das Haus der Toten und trat wieder in die Welt der Lebenden.

 
    I ch saß in meinem Zimmer und starrte auf die beiden Bücher, die nebeneinander auf meinem Bett lagen. Das Wort, das in Papys Exemplar geschwärzt worden war, ließ sich in Jean-Baptistes Exemplar problemlos entziffern. Es hieß »Audoniens«. Dafür war in diesem Buch die Stelle mit dem »Zeichen des Strickes« absolut unleserlich gemacht worden. Man brauchte beide Versionen, um das Rätsel lösen zu können: Der guérisseur lebte also bei den »Audoniens« und war unter dem Zeichen des Strickes zu finden.
    Merkwürdig , dachte ich. Irgendjemand hatte dafür gesorgt, dass es schwer war, diesen guérisseur zu finden. Aber nicht unmöglich. Und wenn es so wichtig war, seine Identität zu schützen, konnte das nur bedeuten, dass dies mehr als nur eine erfundene Geschichte war. Offen war jedoch, ob es auch zwölfhundert Jahre später noch Nachkommen dieses Heilers gab.
    Ich musste herausfinden, wo sich dieses entlegene Land befand (zumindest war es für Goderic damals entlegen) und wo es ein Volk gab, das les Audoniens genannt wurde. Wenn ich das erst in Erfahrung gebracht hatte, musste ich noch das Zeichen des Strickes finden – was auch immer das sein mochte. »Wo er Reliquien an Pilger verkauft«, stand dort. Wahrscheinlich war damit ein Ort in der Nähe einer Kirche gemeint.
    Ich warf einen Blick auf die Uhr. In einer halben Stunde war ich mit Georgia verabredet. Das Restaurant lag im Marais, eine halbe Stunde entfernt. Aber Georgia kam ja immer zu spät.
    Schnell holte ich den Laptop aus der Schreibtischschublade, fuhr ihn hoch und tippte »Audoniens« in das Feld einer Suchmaschine. Als ich die Ergebnisse auf meinem Bildschirm sah, sprang ich vor Freude fast vom Stuhl. Audoniens war die französische Bezeichnung für die Bewohner von Saint-Ouen. Saint-Ouen ist eine Vorstadt im Norden von Paris. Im Mittelalter muss es eine eigenständige Stadt gewesen sein, die erst im Zuge der Industrialisierung eingemeindet worden war. Damals wuchs Paris rasant und schluckte alle kleineren Städte und Dörfer durch die sich ständig erweiternden Stadtgrenzen. Deshalb sprach der Heiler also nicht von »Paris« oder »Parisern«, sondern verwies auf eine eigenständige Stadt.
    Saint-Ouen lag so nah, dass ich jeden Tag hinfahren konnte, bis ich gefunden hatte, wonach ich suchte. Oder bis ich zu der Gewissheit gelangte, dass es das, was ich suchte, gar nicht mehr gab. Von meinem bisherigen Glück beseelt, gab ich als Nächstes »Zeichen des Strickes« ein. Die wenigen Treffer handelten von Strickmustern oder Strickmode. Ich versuchte es noch mit der französischen Formulierung, doch auch diese Suchanfrage blieb erfolglos. Also klappte ich den Laptop zu und steckte ihn zurück in die Schublade. JBs Buch legte ich vorsichtig in ein eigenes Schubfach.
    Ich warf mir einen Mantel über und verließ die Wohnung. Papys Buch steckte in meiner Tasche. Schließlich wusste ich alles, was ich wissen musste, und so konnte ich wenigstens sein Buch heute zurückbringen. Hoffentlich hatte er in der Zwischenzeit nicht schon den Nachlass katalogisiert, damit es nicht auffiel, wenn plötzlich ein Objekt dazukam. Papy hatte sicher nichts dagegen, wenn ich etwas aus dem Geschäft mitnahm. Aber ich wollte einfach keine Aufmerksamkeit mit einem Buch erregen, in dem es ausschließlich um Revenants ging. Seit meinem Ausrutscher mit dem Wort »Numa« letztes Jahr würde ihn das nur misstrauisch machen.
    Mit der Metro düste ich ins Marais und ging schnellen Schritts durch eine kleine

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