Vom Mondlicht berührt
Und dann erkannte sie meine Begleitung.
»Oh, super. Der böse Zwerg in Person«, stöhnte Georgia. »Ich mach dann mal ’nen Abflug«, sagte Georgia laut genug, dass auch Violette sie verstehen konnte, und verschwand in der nächsten Seitenstraße.
Violette tat so, als hätte sie davon gar nichts mitbekommen. »Ich wollte dich gerade anrufen und nachhören, in welchen Film wir gehen wollen.«
»Ja, ich auch«, sagte ich, »doch dann haben wir Arthur getroffen und der meinte, dass du ganz in der Nähe wärst. Eigentlich sind wir ja erst in ein, zwei Stunden verabredet, aber wenn du magst, können wir auch jetzt schon zum Kino fahren.«
»Selbstverständlich«, antwortete sie erfreut. »Ich hatte sowieso nichts weiter vor, als neben diesem Sauertopf im La Palette die Zeit bis zu unserem Treffen abzusitzen.«
»Sauertopf?«, fragte ich überrascht. Dies war das zweite Mal, dass ich mitbekam, wie sie etwas wenig Schmeichelhaftes über ihren Partner sagte. Nicht dass ich anderer Meinung gewesen wäre.
»Ach, Arthur kann ein ziemlicher Spielverderber sein. Wir leben seit Jahrhunderten zusammen, aber manchmal treibt er mich doch in den Wahnsinn.« Sie grinste mich verschwörerisch an. Lachend hakte ich mich bei ihr unter und so machten wir uns auf den Weg zum nächstgelegenen Programmkino.
»Der war wirklich, wirklich sonderbar«, sinnierte Violette über einer dampfenden Tasse Kaffee.
»Ich hab dich gewarnt«, sagte ich und rührte etwas Schlagsahne in meinen warmen Kakao.
»Meine Erwartung war, dass der Film etwas mit Brasilien zu tun hat. Er heißt schließlich Brazil. Hätten sie ihn ›Bizarre Parallelwelt‹ genannt, hätte ich ihn ganz sicher nicht ausgewählt.«
Ich musste bei der Erinnerung an den Ausdruck von Verwirrung und Ekel, den ich während der Szene mit dem plastischen Chirurgen auf Violettes Gesicht gesehen hatte, ziemlich grinsen. Spezialeffekte gehörten eindeutig noch nicht zu ihrem Filmvokabular. Ich nahm mir vor, in Zukunft darauf zu achten, mit Violette ausschließlich in die alten Klassiker zu gehen.
»Wie ist der Stand der Dinge mit Vincent? Hat er dir mittlerweile erzählt, womit er sich beschäftigt?«
»Nein«, antwortete ich und mein Lächeln verschwand. »Und ich mache mir allmählich Sorgen. Ist dir aufgefallen, wie schlecht er aussieht? Was immer er da macht, es schadet ihm richtig.«
Violette nickte. »Wahrscheinlich muss es erst schlimmer werden, bevor es besser werden kann.«
»Genau das hat er auch gesagt!«, rief ich. Ich trank einen Schluck von meinem Kakao und schüttelte frustriert den Kopf. »Weißt du was, Violette? Ich habe angefangen, selbst nach einer Lösung zu suchen.«
Ihre Augenbrauen wanderten nach oben. »Wirklich? Eine Lösung welcher Art?«
»Na ja, ich suche, wonach auch er sucht – etwas, was seinen Drang zu sterben unterbindet.«
»Macht es dir wirklich so viel aus, wenn er stirbt?«
Ich nickte. »Ich habe schon Charles’ Tod letztes Jahr kaum verkraftet, und das, obwohl ich mit ihm nicht zusammen bin.«
»Ich schätze, das ist durchaus die normale, menschliche Reaktion. Besonders bei jemandem wie dir, der erst kürzlich Erfahrungen mit dem Tod sammeln musste.« Sie berührte mitfühlend meine Hand. »Wonach genau suchst du denn?«
»Ach, keine Ahnung. Ich recherchiere noch.«
»Deshalb warst du heute Morgen in der Bibliothek!«
Ich lächelte schuldbewusst. »Ja, aber ich bin woanders fündig geworden. Im Antiquitätengeschäft meines Großvaters. Dort habe ich eine Liebesgeschichte über einen Revenant und eine Sterbliche gefunden. In dem Buch wird ein guerisseur erwähnt, der vielleicht ein Heilmittel kennt.«
»Faszinierend! Das würde ich gern einmal sehen«, sagte sie gespannt.
»Um ehrlich zu sein, habe ich es gerade zurückgebracht.« Dass Gaspards Exemplar in meiner Schreibtischschublade lag, verschwieg ich lieber mal.
»Oh, wie schade«, sagte sie. »Wovon handelte es denn genau?«
»Es war eine hinreißend illuminierte Handschrift mit dem Titel Unsterbliche Liebe. Wie gesagt, eine Liebesgeschichte über einen Revenant und eine Sterbliche, die einen guérisseur finden wollen, der ihnen empfohlen wurde. Doch dann stirbt die Frau und der Revenant lässt sich von einem Numa auslöschen.«
»Von dieser Geschichte habe ich sogar schon gehört«, sagte Violette nachdenklich. »Gelesen habe ich sie nicht, aber in anderen Texten wurde darauf verwiesen.« Sie zögerte. »Ich will dich nicht entmutigen, Kate, muss dich aber warnen. Diese
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