Vom Mondlicht berührt
Geheimnisse eingeweiht. Doch keines davon ist eine Lösung für dein Problem. Du hast dir einen schwierigen Weg ausgesucht, um den ich dich nicht beneide. Aber ich verspreche dir, ich werde mein Bestes geben, euch beiden das Beisammensein erträglicher zu machen.«
An dieser Stelle erhob sie sich und ging zur Tür. »Lass uns wieder nach unten gehen«, sagte sie. Ich folgte ihr die Treppe hinunter und in den Laden, wo wir beide abrupt stehen blieben, weil sich uns dort eine unerwartete Szene bot.
Jules stand in der Mitte des Geschäfts, die Spitze seines Schwerts auf das Brustbein des Verkäufers gesetzt. Dieser sah aus, als hätte der wütende Blick des Revenants ihn einen halben Meter schrumpfen lassen.
»Ich ... ich weiß nicht, wovon Sie sprechen«, stammelte er. »Hier ist niemand außer mir!«
»Ich weiß, dass hier noch ein Mädchen ist! Bring mich sofort zu ihr!«, dröhnte Jules’ Stimme. Er erhörte den Druck auf das Schwert und klemmte den Mann damit zwischen sich und Ladentheke ein.
»Jules, hör sofort auf!«, brüllte ich.
Beide Männer drehten sich abrupt zu uns um. Jules ließ das Schwert sofort sinken und steckte es zurück in die Scheide, während er schnellen Schritts auf uns zusteuerte.
»Kate, ist alles in Ordnung?«, fragte er und griff nach mir.
»Eine Aura wie ein Waldbrand«, sagte die alte Frau und starrte Jules an. »Du bist einer von ihnen.« Und dann verbeugte sie sich ganz langsam vor ihm, als wäre er ein Mitglied des Königshauses.
»Was zum –«, fragte Jules verblüfft.
Sie richtete sich wieder auf und hielt Jules ihre ausgestreckte Hand hin. »Ich heiße Gwenhaël und das ist mein Sohn Bran.« Sie deutete auf den Mann mit den Käferaugen, der sich die Hand auf die Brust presste, als hätte Jules ihn wirklich verletzt.
Jules warf mir einen Blick zu, der wohl Was zum Teufel geht hier vor bedeutete, und räusperte sich dann.
»Ist das der Junge, um den es geht?«, fragte die Frau.
»Nein«, antwortete ich.
»Nun«, machte sie und betrachtete Jules dabei ganz genau, als wollte sie sich jedes Detail an ihm einprägen. Jules hob eine Augenbraue und sah mich eindringlich an.
»Danke, dass Sie uns mit Ihrem Besuch beehren, mein Herr«, sagte sie endlich zu ihm und an mich gewandt: »Das Gleiche gilt für dich, liebe Kate. Gib mir eine Woche und komm dann wieder. So bleibt mir genug Zeit, die Aufzeichnungen meiner Vorfahren durchzugehen. Vielleicht finde ich etwas, womit ich dir helfen kann.«
»Merci, Madame –«
»Nenn mich Gwenhaël«, unterbrach sie mich und tätschelte meine Hand. »Wir sehen uns in einer Woche.«
Einen großen Bogen um Jules machend, kam Bran zu mir und gab mir eine Karte, auf die nichts als eine Telefonnummer gedruckt worden war. »Dann können Sie das nächste Mal anrufen, bevor Sie herkommen. Spart Ihnen vielleicht einen Weg. Auf Wiedersehen«, sagte er, verbeugte sich kurz und starrte uns mit seinen riesigen Augen nach, während wir das Geschäft verließen und uns auf die Straße begaben.
Wir waren kaum drei Schritte vom Laden entfernt, da setzte Jules zu sprechen an. »Hast du vor, mir zu erklären, was das da gerade sollte?«
»Nein«, war meine trotzige Antwort.
»Hast du vor, es Vincent zu erklären?«
»Irgendwann, ja.«
Jules schüttelte den Kopf. »Du warst fünfundzwanzig Minuten da drin. Hättest ja wenigstens mal aus dem Fenster winken können, damit ich weiß, dass alles in Ordnung ist.« Er sah wütend aus, dabei wusste ich, dass er sich einfach fürchterliche Sorgen um mich gemacht hatte.
»Es tut mir leid«, sagte ich und meinte es auch.
Wir stiegen ins Auto und Jules steuerte den Wagen vom Parkplatz Richtung Süden. Nachdem wir fünfzehn Minuten geschwiegen hatten, sagte er: »Kate, du musst mir erzählen, was du bei dieser verrückten alten Frau und dem Rabenjungen wolltest.«
»Rabenjungen?«
»Bran. Das ist ein bretonischer Name und er bedeutet Rabe.«
Aha.
»Kate ... Woher wusste die Frau, was ich bin?«
»Sie ist ein guérisseur, deren Familie in Verbindung mit Revenants steht.«
Er blieb still und ließ diese Informationen erst einmal sacken. »Und du warst bei ihr, weil –«
»Weil ich eine Möglichkeit suche, Vincent zu helfen. Damit er dieses bescheuerte Experiment abbrechen kann. Was immer er da gerade macht, wirkt auf mich eher so, als würde es ihm mehr schaden als nutzen.«
Endlich löste sich seine Anspannung und seine Stimme wurde weich. Verständnisvoll. »Ganz ehrlich, Kate, ich weiß nicht, was
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