Vom Regen in die Traufe
ich Gelegenheit, dir in einem detaillierten B e richt zu schildern, was Herr Heiskari und ich in letzter Zeit erlebt haben.
Gleich zu Beginn muss ich konstatieren, dass ich nie verm u tet h ä tte, wie anstrengend dein neuer Auftrag sein w ü rde. Dazu kommt die unglaubliche Primitivit ä t, die diese Reise gepr ä gt hat. Sei mir nicht b ö se, aber ich schreibe diesen Bericht frus t riert und zu Tode ersch ö pft. Ich wei ß nicht, ob ich deinen Auftrag weiter erf ü llen kann oder dich bitten muss, jemand anderen zu suchen, der einen volkst ü mlicheren Geschmack hat und der j ü nger und physisch belastbarer ist.
Andererseits ist der Auftrag, wie du wei ß t, finanziell enorm wichtig f ü r mich, und ich m ö chte nicht vorschnell das Han d tuch werfen. W ä re ich gl ä ubig, w ü rde ich Gott um Durchhalt e verm ö gen bitten und mir zugleich w ü nschen, dass die ungehe u ren Kr ä fte deines Auserw ä hlten erlahmen oder wenigstens ein bisschen nachlassen m ö gen. Kaum zu glauben, dass er schon fast f ü nfzig ist. Aber anscheinend st ä hlt die Arbeit in diesen kargen Nadelw ä ldern die M ä nner.
Als Pers ö nlichkeit machte er auf mich zun ä chst einen u n sympathischen Eindruck. Er wirkte m ü rrisch und ein wenig beschr ä nkt. Aber sowie Alkohol vor ihm steht, lebt er auf und erz ä hlt merkw ü rdige Geschichten, von denen der gr öß te Teil, wie ich vermute, glatt gelogen oder zumindest ü bertrieben und fantasievoll ausgeschm ü ckt ist. An sich ist er nicht dumm, sondern auf seine eigene grobe Weise sogar gebildet. Er hat zu Hause tats ä chlich seine eigene Bibliothek mit allerlei halbphil o sophischen Schriften und belletristischen Werken jeglicher Couleur, bunt durcheinandergew ü rfelt, ohne dass irgendein System zu erkennen w ä re, nach dem die Werke angeschafft wurden. Er r ü hmt sich damit, Schwedisch › ü ber den Arm ‹ gelernt zu haben, was wohl so viel bedeutet, dass er in jungen Jahren irgendwo in Nordschweden B ä ume gef ä llt hat. Und Englisch, so prahlt er, spricht er wie ein Wasserfall – hat es angeblich drei Jahre lang an einer finnischen Volksbildungsei n richtung, einer Fernschule, geb ü ffelt. Auf Deutsch knurrt er nur ein paar Zoten und Kommandos, und wenn er betrunken ist, br ü llt er die widerw ä rtigsten deutschen Milit ä rausdr ü cke und wirkt dabei richtig bedrohlich. Hier f ä llt mir ü brigens ein, dass er von seinem milit ä rischen Rang her Unteroffizier der Reserve ist.
Leider muss ich gestehen, dass ich mir nicht verkneifen konnte, hinsichtlich meines eigenen Ranges ein wenig zu ü be r treiben. Ich erkl ä rte, dass ich Oberstleutnant a. D. sei, was gro ß en Eindruck auf ihn machte. Ich hoffe, dass du diese kleine Notl ü ge meinerseits nicht korrigierst, denn unter den gegeb e nen Umst ä nden musste auch ich mir etwas ausdenken, auf das ich mich notfalls st ü tzen kann. Au ß erdem: H ä tte ich einst die Milit ä rlaufbahn gew ä hlt, h ä tte ich es ganz sicher mindestens bis zum Oberst gebracht. Schlie ß lich gibt es in unserer Familie immerhin zwei Gener ä le sowie eine ganze Schar Oberste und Majore.
Herr Heiskari strahlt eine ganz eigene, anziehende M ä n n lichkeit aus, die dich wom ö glich beeindruckt hat. Dennoch ist er keine moderne Version des » edlen Wilden « , durchaus nicht. Allerdings muss auch ich zugeben, dass, w ä re er j ü nger und h ä tte er wenigstens ein bisschen mehr Manieren, Schliff und Bildung, auch ich mich wom ö glich von ihm angezogen f ü hlen w ü rde. Ich meine damit nicht, dass ich in irgendeiner Weise beabsichtigen w ü rde, den potenziellen erotischen Freund in ihm zu sehen – das liegt mir g ä nzlich fern –, aber irgendwie verstehe ich dich, die du immerhin eine Frau bist, und in uns e rer Familie sind ja die Frauen, mit Verlaub, recht aktiv. Schon allein, dass er ziemlich nachl ä ssig in seiner pers ö nlichen Hygi e ne ist, ist mir ziemlich unangenehm. Kannst du dir vorstellen, dass er nach dem Rasieren keine weiteren D ü fte als ein paar Tropfen seines billigen Rasierwassers verwendet?! Als auch das verbraucht oder verschwunden war, hielt er es f ü r angebracht, sein Kinn und sogar seine Achselh ö hlen mit einem Schuss reinen Wodkas einzureiben! Aufmerksam wie ich bin, stellte ich ihm ein, wie ich fand, elegantes Parf ü m ins Bad, aber bei diesem Herrn wirkte der sanfte Wink nicht. Andererseits ist er ein eifriger Saunag ä nger, was zum Gl ü ck die ansonsten mangelha f te Hygiene
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