Vom Regen in die Traufe
sie sich apathisch in die n ä chste Eckkneipe, um mit anderen ebe n so elenden Versagern Bier zu schl ü rfen. Dann quollen sie auf wie russische Matroschkas, und sowie sie nur ein bisschen Geld in die Finger bekamen, soffen sie wie ve r r ü ckte Kosaken.
Hermanni Heiskari best ä tigte, dass Arbeitslosigkeit depr i mierte und st ä ndiger Geldmangel w ü tend machte. Aber die meisten Arbeitslosen suchten sich irgendeine Besch ä ftigung, da sie schlie ß lich ü ber gen ü gend Zeit verf ü gten. Sie bauten Voge l h ä uschen, teerten Boote, angelten Saiblinge oder retteten ner z bekleidete steinreiche Reederinnen, die vom Himmel auf das Eis gro ß er Seen fielen. Trotzdem erlahmten viele durch die Unt ä tigkeit und lagen einfach auf dem Sofa, und wer sich einmal an diesen bequemen Lebensstil gew ö hnt hatte, kam nicht so schnell wieder davon los.
Er selbst, so Hermanni, hatte nie herumgelegen, das e r schien ihm irgendwie nicht nat ü rlich.
Ragnar fand, dass die finnischen Arbeitslosen rechte Schlappschw ä nze sein mussten, da sie keinen Aufstand anzette l ten.
Hermanni Heiskari hielt seinen Wei ß wein gegen das Licht, lie ß die Fl ü ssigkeit in dem schlanken Glas blinken und bekan n te dann:
» Da wir gerade beim Thema sind, kann ich Ihnen verraten, dass ich schon seit einigen Jahren rein hobbym äß ig den Volksaufstand vorbereite. «
Hermanni erkl ä rte, dass er eigentlich ein vom Staat bezah l ter Revolution ä r sei, denn er lebte ja haupts ä chlich vom Arbeitsl o sengeld und konnte sozusagen nebenberuflich die Revolte planen. Er hatte erkannt, dass die halbe Million A r beitsloser zusammen mit all jenen, die auf andere Weise aus ihrer Leben s bahn geworfen worden waren, insgesamt minde s tens eine Million Menschen, eine verborgene Armee darstel l ten, die eine schreckliche Kraft h ä tte, wenn jemand sie freiset z te.
» Ich denke an eine Art Volksarmee, die dazugeh ö rigen op e rativen und taktischen Pl ä ne habe ich ausgearbeitet. Sie sind ja Oberst, k ö nnten Sie die Pl ä ne pr ü fen? «
Ragnar lachte. Diese lappl ä ndischen Kerle hatten einen sehr speziellen Humor, das war mal Fakt.
» Trinken wir also auf den Aufstand « , sagte er feixend und stie ß mit Hermanni an.
» Auf den k ü nftigen B ü rgerkrieg « , antwortete Hermanni Heiskari. Seine Miene war dabei allerdings todernst.
12
Nach ein paar Tagen reisten die beiden nach Luosto weiter, wo sie wieder Schneehuhn speisten – diesmal Schneehuhnbrust in Kognak-Wild-So ß e. Die So ß e war, au ß er mit Kognak, nur mit ein paar Wacholderbeeren und Rosmarin gew ü rzt, zus ä tzlich wurde in einem gesonderten kleinen Sch ä lchen Eberescheng e lee gereicht. Diesmal nahmen sie vorweg keinen Schnaps, sondern tranken zum Essen einen leichten Chablis aus Bu r gund.
Zur Nachspeise, einem Parfait mit Moltebeerengelee, geno s sen sie einen Moltebeerenlik ö r, und schlie ß lich beendeten sie die Mahlzeit mit schwarzem Kaffee und ein paar Kognaks.
Es war bereits sp ä ter Abend, drau ß en fiel leiser Regen. Vor dem dunklen Hintergrund des Waldes zeichneten sich die grauen Gestalten zweier Rentiere ab. Sie standen durchn ä sst und mit h ä ngenden K ö pfen hinter dem Parkplatz, Insekten hatten sie den ganzen Sommer hindurch geplagt, trotz des regnerischen Wetters. Hermanni erz ä hlte, dass nach dem Tode eines alten Holzf ä llers dessen Seele in einem Rentier weiterle b te.
» Wer m ö gen die armen Viecher dr ü ben am Waldrand sein? Eines von ihnen ist vielleicht Kurko, der K ö nig der W ä lder. Ein Quartalss ä ufer erster G ü te, im n ü chternen Zustand ve r r ü ckt nach Arbeit, und betrunken nur verr ü ckt. «
Ragnar meinte, dass das zweite Rentier der legend ä re Schmucke Jussi sein k ö nnte, aber Hermanni war der Meinung, dass der nicht mal nach seinem Tod so j ä mmerlich aussehen w ü rde. Eher w ä re er ein pr ä chtiger wilder Bock. Dann fiel ihm ein, dass der Schmucke Jussi als Folge der Kinderl ä hmung ein verkr ü ppeltes Bein gehabt hatte und dass er auch sonst recht h ä sslich gewesen war. Falls der Schmucke Jussi im Augenblick seines Todes zu einem wilden Ren geworden war, so hatte das unter Umst ä nden ein verk ü rztes Hinterbein.
Die beiden M ä nner sa ß en an einem Seitentisch des Resta u rants, die Nachbartische waren leer. Ragnar Lundmark kam jetzt auf den Volksaufstand zu sprechen, den Hermanni u n l ä ngst erw ä hnt hatte, und fragte geradeheraus, ob diese Revolte der
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