Vom Regen in die Traufe
kiloweise bunte Werbebl ä tter, einen betr ä chtlichen Stapel Rechnungen und diverse Mahnu n gen getragen. Sogar ein Brief vom Gerichtsvollzieher war da r unter. Fiermanni stopfte das Zeug wieder in den Kasten, riss ihn aus dem Boden und stampfte all die Botschaften in den Ufe r schlamm des k ü nstlichen Sees, mitsamt Briefkasten und allem Drum und Dran. Anschlie ß end – man mag es kaum sagen – pinkelte er obendrauf.
Ragnar Lundmark versuchte den niedergeschlagenen Mann zu tr ö sten:
» Ich bin sicher, dass Frau Lundmark Ihnen angesichts di e ses Verlustes irgendwie helfen wird …«
Hermanni schluckte nur und erkl ä rte, dass er nicht um die H ü tte trauere, sie habe sowieso nicht ihm, sondern dem Kraf t werkskonzern geh ö rt, und auch seinen Sachen weine er keine Tr ä ne nach, den paar Netzen, der Rollangel, dem Fer n glas und der Kamera, den Gummistiefeln und der Pelzm ü tze …, aber der Verlust der Bibliothek sei ein schwerer Schlag. Er habe seine B ü cher ü ber viele Jahre gesammelt.
Ragnar Lundmark war einigerma ß en erleichtert und sagte, dass ihm Frau Lundmark garantiert Ersatz f ü r seine verbran n ten B ü cher beschaffen w ü rde, notfalls w ü rde sie bei einer Hau s haltsaufl ö sung so viele B ü cher kaufen, wie er irgend w ü nschte. Hermanni streifte Ragnar mit einem traurigen Blick und dachte im Stillen, dass jedes Buch einzigartig war, genau wie jeder Mensch. Ein neues Buch kann das verbrannte nicht ersetzen, so wie ein Mensch, der den Platz eines Verstorbenen einnimmt, diesen nicht zum Leben erwecken kann.
14
Die beiden M ä nner lie ß en Tuure Honkanen davonfahren. Zuvor hatten sie vereinbart, dass er sie abends gegen sechs, sieben Uhr abholen sollte. Hermanni Heiskari f ü hrte Ragnar nach Westen, vom Fluss aus gesehen. Sie stiefelten schweigend mehrere Kilometer n ö rdlich des Naimavaara-Berges entlang, bis sie ans Ufer des k ü nstlichen Wasserbeckens kamen. Hier orientierte sich Hermanni an ein paar trockenen Strandfic h ten, schritt nach dem Ged ä chtnis eine bestimmte Anzahl von M e tern ab und stocherte dann im Moos.
Zumindest an dieser Stelle fanden sich keine geheimen Pl ä ne f ü r einen finnischen Volksaufstand.
» Verflucht. Hier hatte ich sie vergraben. «
Hermanni erz ä hlte, dass er die Dokumente in einer R ä uche r kiste aus Aluminiumblech eingeschlossen hatte, und die Kiste hatte er an den Kanten noch extra mit Harz gegen Feuc h tigkeit abgedichtet. Der Inhalt bestand aus mehr als f ü nfhundert maschinengeschriebenen Textseiten sowie etwa f ü nfzig Karte n bl ä ttern.
» Haben Sie keine Kopien gemacht? «
» Wir Holzf ä ller besitzen im Allgemeinen keine Kopierger ä te. «
Aufmerksam wie ein Indianer st ö berte Hermanni Heiskari im Gel ä nde. Er kniete sich sogar hin und drehte und wendete die Torfbrocken wie ein Arch ä ologe, um abschlie ß end zu verk ü nden:
» Jemand hat das Zeug weggeholt. Die Spuren sind deu t lich. «
Ragnar Lundmark versp ü rte grenzenlose Erleichterung. Welch gl ü ckliche F ü gung! Nun, da die Kriegspl ä ne verschollen waren, bestand zumindest in absehbarer Zeit keine Gefahr eines Aufstandes der Arbeitslosen. In Gedanken schickte er einen leisen Dank gen Himmel, f ü r die Verhinderung des Krieges und vor allem daf ü r, dass er, Ragnar, nicht mehr bef ü rchten musste, in jenes grausame Geschehen hineingez o gen zu werden.
» Dann kommt es wohl zu keinem Krieg « , ä u ß erte er hof f nungsvoll gegen ü ber Hermanni Heiskari.
Hermanni gab zu, dass der Volksaufstand um ein paar Jahre hinausgeschoben werden musste, wenn sich die Dokumente nicht f ä nden. Ragnar stellte Betrachtungen dar ü ber an, wie es der Welt ergangen w ä re, wenn sowohl Stalins als auch Hitlers Kriegspl ä ne Ende der Drei ß igerjahre verloren gegangen w ä ren. Der Zweite Weltkrieg w ä re erst in den F ü nfzigerjahren gef ü hrt worden, nachdem neue Angriffsstrategien fertiggestellt wo r den w ä ren. Auch er, Ragnar, h ä tte dann am Krieg teilgeno m men, w ä re heute wom ö glich Ritter des Mannerheim-Kreuzes. Oder doch nicht? Schwer zu sagen, wie heldenhaft ein Mann wirklich ist, wenn es ernst wird. Der Frieden w ä re irgendwann 1955 geschlossen worden, und die geburtenstarken Jahrg ä nge w ä ren erst 1958-63 auf den Plan getreten.
Hermanni Heiskari hakte hier ein und spann den Gedanken weiter:
» Die Reparationszahlungen w ä ren wegen der Inflation mi n destens drei ß ig Prozent g ü nstiger gewesen,
Weitere Kostenlose Bücher