Vom Schicksal bestimmt: Soul Seeker 1 - Roman (German Edition)
und macht an der ersten freien Zapfsäule Halt. Es tut unendlich gut, sich nach so vielen Stunden im Auto endlich die Beine vertreten zu können.
Ich werfe den Kopf in den Nacken, gähne herzhaft und atme tief die Luft von New Mexico ein. Und staune darüber, dass sie sogar noch trockener ist als die in Los Angeles oder Phoenix – das muss die Höhe sein. Ich mache ein paar Stretching-Übungen mit dem Oberkörper, ehe ich mich zu Boden beuge, wo ich mit den Fingerspitzen einzelne Steinchen im Asphalt ertaste und mich über den Schmerz in meinen verkrampften Muskeln hinwegsetze.
»Geh doch mal rein und hol uns zwei Coke.« Chay greift nach seiner Brieftasche, doch ich winke rasch ab und marschiere eilig auf den Supermarkt zu.
Sowie ich durch die Tür trete, gibt mein Magen ein peinlich lautes Knurren von sich. Und als ich das abgepackte Junkfood in den Regalen sehe, bereue ich sogleich heftig, dass ich den Cheeseburger und die Pommes in Phoenix ungegessen habe zurückgehen lassen.
Ich spaziere durch die Gänge, türme mir Riesentüten voller Süßigkeiten, Donuts und Chips auf die Arme und greife mir zwei Literflaschen Cola – eine für mich und eine für Chay. Dann füge ich noch eine Rolle Pfefferminz hinzu und lasse alles auf den Ladentisch fallen. Ich wechsele einen freundlichen, aber nichts sagenden Gruß mit der Frau an der Kasse und studiere die Regenbogenpresse, während sie die Preise meiner Waren eintippt.
Jennika ist es zuwider, wenn ich das tue, und sie erinnert mich jedes Mal eilig daran, dass die meisten Storys, die dort erscheinen, entweder komplett erfunden oder von den Leuten, um die es geht, gezielt lanciert worden sind. Trotzdem ist es ein sündiges Vergnügen, dem ich nicht widerstehen kann. Der Spaß besteht darin zu ergründen, was Schwachsinn ist und was nicht.
Außerdem ist es der einzige Weg, wie ich über alte Bekannte auf dem Laufenden bleiben kann. Manche Leute haben Jahrbücher und Facebook — ich habe die Klatschspalten.
Wie immer beginne ich mit dem billigsten Blättchen – dem schlimmsten von allen –, das von einer unerschütterlichen Faszination für angebliche Entführungen durch Au-ßerirdische und Sichtungen vom Geist Elvis Presleys besessen ist. Zum ersten Mal seit Stunden muss ich schmunzeln, als ich sehe, dass das Cover diese Woche meine Erwartungen
sogar übertrifft: Es zeigt eine sehr berühmte, oscargekrönte Schauspielerin, die vom Geist eines längst verstorbenen Regisseurs heimgesucht wird, weil er ihr für das hundsmiserable Remake, das sie gerade dreht, gnadenlose Rache geschworen hat.
Ich übergehe das Heft, das jedem Starlet mit einer Folklorebluse unterstellt, einen Babybauch kaschieren zu wollen, und greife nach dem harmlosesten unter den Blättchen – demjenigen, auf dessen Hochglanzcover fast alle aufstrebenden Stars abgebildet sein möchten, ob sie es nun zugeben oder nicht.
Diese Woche ziert das Cover ein scheinbar heimlich aufgenommener Schnappschuss von …
»Das macht dann einundzwanzig sechzehn«, sagt die Kassiererin, doch ihre Stimme ist nur ein Rauschen in meinem Kopf.
Ich nehme die Worte kaum wahr. Der Ladentisch, mein Haufen Junkfood, die Angestellte – alles verschwimmt im Hintergrund, bis nichts mehr übrig ist als das Cover dieser Zeitschrift und ich.
Ich muss das Heft mit beiden Händen festhalten, so sehr zittern sie inzwischen. Meine Wangen werden heiß, mein Atem stockt, und ich kann den Blick nicht von diesen durchdringenden blauen Augen abwenden, der goldenen Haut, dem zerzausten Haarschopf, dem angedeuteten trägen Lächeln und dem bandagierten Arm, den er zum Gruß hebt.
Und es ist ein Gruß. Daran hege ich keinen Zweifel.
Obwohl er versucht, es als Geste des Protests zu verkaufen – als wäre es ein fehlgeschlagener Versuch, das aufdringliche Teleobjektiv der Kamera abzuwehren –, weiß ich es besser.
Vane ist noch nie einem Paparazzo begegnet, den er nicht insgeheim angehimmelt hat.
Er ist neu in dem Spiel und lechzt noch nach der Aufmerksamkeit. Sein ganzes Leben hat er damit zugebracht, diese Art von Publicity zu ergattern, und dank mir hat er sie jetzt bekommen.
»Hallo? Hören Sie? Das macht einundzwanzig sechzehn«, bellt die Kassiererin. »Mit der Zeitschrift kämen dann noch drei fünfzig dazu.«
Ich antworte nicht. Ich umklammere nur mit meinen zitternden Händen das Klatschblatt, wobei die Feuchtigkeit meiner Finger das Papier weich und matschig werden lässt und mir die Druckerschwärze auf der
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