Vom Schicksal bestimmt: Soul Seeker 1 - Roman (German Edition)
Haut kleben bleibt. Ich starre auf die Schlagzeile, die da brüllt:
ZUSAMMENSTOSS
AUF DEM VANE-WYCK-EXPRESSWAY!
Das ist sein Spitzname – der Vane-Wyck-Expressway. Benannt nach dem schlimmsten, von den meisten Staus geplagten Highway, der zu diesem schmutzigen Chaosloch führt, das sonst unter dem Namen Kennedy Airport bekannt ist.
Da er aus der tiefsten Provinz kommt, liebt Vane diesen ach so schicken Spitznamen. Er liebt einfach alles an seinem Ruhm.
Auf dem Bild ist sein Gesicht verunstaltet von Schrammen und mattvioletten Blutergüssen, während seine linke Braue – die, die er so gern hochzieht – in der Mitte gespalten zu sein scheint. Aber ich muss widerwillig zugeben, dass er dadurch noch heißer aussieht. Es lässt ihn verletzlich und hart zugleich wirken – wie ein Mann, der schon einiges erlebt hat.
Meinetwegen ist er von wahnsinnig süß zu absolut unwiderstehlich aufgestiegen – obwohl ich bezweifle, dass er mir dafür ein Dankesschreiben schicken wird.
Apropos ich – ich komme auch vor.
Und zwar als kleines, unscharfes Foto in der unteren rechten Ecke.
Ein Foto, das von Vanes Handy heruntergeladen worden ist.
Ein Foto, das er unbedingt hatte machen wollen, obwohl ich es ihm auszureden versuchte. Ich sah keinen Sinn darin, etwas festzuhalten, von dem ich wusste, dass es nur ein flüchtiger Flirt sein würde. Und weil ich mich eben nicht als williges Fotoobjekt erwies, als er sein Handy zum Knipsen hob, sah ich ganz schön finster drein.
Er lachte, als er das Bild begutachtete, und versprach sogar, es zu löschen, aber ich habe es wohl nie kontrolliert.
Und ganz bestimmt hätte ich nie gedacht, dass er es gegen mich verwenden würde – dass es zur Grundlage für meinen eigenen unseligen Spitznamen werden würde: »Teuflischer Fan«. Wie in:
»Teuflischer Fan fällt brutal über Vane Wyck her!«
Und direkt darunter:
»Der nette Vane will das Mädchen nicht verklagen. ›Das ist der Preis des Ruhms‹, sagt er. ›Ich kann nur hoffen, dass sie die Hilfe bekommt, die sie offensichtlich dringend braucht.‹ Lesen Sie die ganze Geschichte auf Seite 34!«
Ich blättere Seite 34 nicht auf.
Ich brauche nicht noch mehr zu sehen, als ich schon gesehen habe.
Und obwohl ich nie der Meinung war, dass Vane ein besonders netter Typ ist, wie sie behaupten, fand ich ihn doch ganz in Ordnung – aber da habe ich mich offenbar geirrt.
Außerdem hat es den Anschein, als würde sich seine Pressefrau nicht ganz so intensiv darum bemühen, die Geschichte unter den Teppich zu kehren, wie Jennika behauptete. Wahrscheinlich hat sie extra gewartet, bis die Blutergüsse in voller Blüte standen, sich dann im Gebüsch versteckt und das Foto selbst geschossen.
Schließlich weiß ich ja, wie der Hase läuft. Hollywood lebt von solchem Klatsch – es ist das Öl in seinem Getriebe. Und jetzt, wegen meines Ausbruchs, leuchtet Vanes persönlicher Stern noch heller.
»Hören Sie mal, wollen Sie die Sachen jetzt oder nicht? Ich hab nicht den ganzen Tag Zeit!« Die Kassiererin funkelt mich an, obwohl es ganz danach aussieht, als träfe genau das Gegenteil zu. Ich bin die einzige Kundin hier, und bevor ich aufgetaucht bin, hat sie ein Buch gelesen.
Am liebsten würde ich die Zeitschrift wieder aufs Regal fallen lassen. Das Bild aus meinem Kopf fegen und so tun, als hätte ich es nie gesehen. Aber es gibt kein Zurück. Kein Mittel, um das ungesehen zu machen, was jetzt in mein Gehirn eingebrannt ist.
Ich schwanke. Eigentlich wünsche ich mir nichts sehnlicher, als das Ding los zu sein, bin mir aber nur allzu sehr der Tatsache bewusst, dass es meine schweißnassen Hände waren, die das Cover verschmiert haben.
»Rechnen Sie das noch dazu«, sage ich, obwohl es mir zuwider ist, für das Heft zu bezahlen. Ich krame in meiner Geldbörse, reiche ihr mit zitternden Fingern einen Packen zerdrückter Geldscheine und weise das Wechselgeld zurück, das sie mir geben will. Als ich zur Tür hinausstürme, stoße
ich mit Chay zusammen, da vor meinen Augen alles verschwimmt.
Chay hält mich fest. »Alles in Ordnung?«, fragt er. »Musst du deine Kräuter nehmen?« Er sieht mich beunruhigt an.
Ich schüttele den Kopf. Löse mich aus seinem Griff. Ich bin nicht bereit, die Wahrheit einzugestehen – nicht bereit, ihm zu verraten, dass die Vision, die mich plagt, nicht nur auf meinen Kopf beschränkt ist, sondern offen vor der ganzen Welt daliegt. Wahrscheinlich hat sie sich mittlerweile wie ein Virus verbreitet –
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