Vom Schicksal bestimmt: Soul Seeker 1 - Roman (German Edition)
obwohl die Versuchung groß ist, das Gleiche zu nehmen, bestelle ich Cheeseburger, Pommes und eine Cola. Falls ich es nicht runterkriegen sollte, kann ich es wenigstens auf dem Teller hin und her schieben, wenn die Unterhaltung so unerträglich wird, wie ich es erwarte.
»Und wie geht es Paloma?«, fragt Jennika, sobald die Bedienung sich verzogen hat.
»Gut.« Chay nickt und breitet die Hände auf dem weißen Platzdeckchen aus, wobei sein kunstvoller Silberring zur Geltung kommt, der, soweit ich es erkennen kann, einen Adlerkopf zeigt, dessen Augen zwei Goldstückchen bilden.
»Was macht sie so? Sie züchtet immer noch Kräuter, ich weiß, aber was sonst? Wie verdient sie sich ihren Lebensunterhalt? Kommt sie halbwegs zurecht mit ihrer Heiltätigkeit? Ich habe sie ja seit Jahren nicht mehr gesehen. Nicht seit Djangos Beerdigung, und selbst da ist sie vorzeitig gegangen – seltsam, finden Sie nicht auch?«
Ich werfe Chay einen nervösen Blick zu und frage mich, wie er wohl auf Jennikas Wortgewitter reagieren wird. Immer lässt sie eine ganze Salve von Fragen auf eine Person los, lehnt sich dann zurück und wartet ab, auf welche sie wohl eine Antwort bekommt.
Aber Chay bleibt ruhig und beantwortet jede einzelne, so gut er kann. »Sie lebt in dem Haus, in dem sie immer gelebt hat. Und ihr Garten bringt so reiche Ernten hervor, dass sie ihren Unterhalt mit den Kräutern und ihrer Heiltätigkeit bestreiten kann. Siebzehn Jahre Schweigen ist eine lange Zeit, aber ich nehme an, dass jeder Mensch auf seine Weise trauert.«
Jennika rutscht unbehaglich hin und her und kaut auf ihrer Unterlippe. Ich sehe ihr an, dass sie kurz davor ist, eine weitere Fragensalve abzufeuern. Aber Chay kommt ihr zuvor
und fragt mich: »Wie geht es dir? Wie ich höre, haben die Kräuter ein bisschen Linderung gebracht.«
Als unsere Blicke sich treffen, wird mir klar, dass er mich sofort durchschauen würde, wenn ich lüge. Also bin ich gezwungen, ehrlich zu sein. »Sie helfen eine Weile, aber sobald die Wirkung nachlässt, fangen die Visionen wieder an.«
Jennika schnappt nach Luft. In ihrem Gesicht spiegeln sich Schock, Schmerz und ein nicht zu übersehender Zorn auf das, was sie sicherlich als Verrat empfindet. Sie hält sich noch so lange zurück, bis die Kellnerin unser Essen gebracht hat, doch sobald sie verschwunden ist, lässt sie eine Schimpftirade los. »Du hast gesagt, dass es dir besser geht! Du hast gesagt, du würdest diese Sachen nicht mehr sehen! Hast du mich angelogen? Ich fasse es nicht, Daire. Ich kann es einfach nicht fassen!«
Ich hole tief Luft und nehme mir eine von den Pommes, wedele ein paar Mal damit herum, bevor ich sie mir in den Mund stecke und eine zweite nachschiebe. »Ich habe nicht gelogen«, nuschele ich mit vollem Mund. »Mir geht es wirklich besser.« Ich trinke einen Schluck Cola, werfe bei der Gelegenheit einen schnellen Seitenblick auf Chay und bin gespannt, wie er reagiert, aber er konzentriert sich auf seinen Kuchen und hält sich klugerweise aus unserem Mutter-Tochter-Streit heraus. »Sie helfen eine Weile, und sie machen mich nicht so benommen und beduselt wie die Tabletten. Aber sobald die Wirkung nachlässt, sind die Visionen wieder da. Ich dachte eben, es hat keinen Sinn, dir davon zu erzählen, weil es nichts geändert hätte. Du hättest dich nur noch mehr um mich gesorgt, als du es sowieso schon tust.«
Ich zucke die Achseln und will einen Bissen von meinem Cheeseburger probieren, aber ich habe keinen Appetit und lege ihn wieder auf den Teller, während Jennika in ihren Kaffee
starrt. Und obwohl die Situation angespannt und unangenehm wirken mag, bin ich dankbar für die Stille.
So verläuft unser Essen – Jennika nippt stirnrunzelnd an ihrem Kaffee, ich schiebe meine Pommes hin und her, und Chay kratzt seinen Teller sauber, damit ihm bloß kein Krümel entgeht.
Nachdem er sich den Mund abgewischt hat, lehnt er sich zurück und sagt: »Das Essen absorbiert sowohl die Energie, mit der es zubereitet wurde, als auch die Energie, mit der es aufgenommen wird. Schlechte Energie, schlechtes Essen.« Er deutet auf meinen ungegessenen Cheeseburger, aber seine Augen funkeln freundlich.
Dann zieht er wortlos ein paar Geldscheine aus der Brieftasche, zahlt damit die Rechnung und legt ein ordentliches Trinkgeld dazu. Anschließend gehen wir alle nach draußen, wo sich mein ganzes Leben in dem kurzen Augenblick verändert, den es dauert, meine Reisetasche aus einem himmelblauen Karmann Ghia in
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