Vom Schicksal bestimmt: Soul Seeker 1 - Roman (German Edition)
helle Felder blitzen auf und verschmelzen zu einer Abfolge von glimmenden Bildern, die flackern und funkeln – locken und verführen –, bis ich nicht mehr unterscheiden kann, was real und was Illusion ist.
Bis ich nicht mehr zwischen Traum und Wirklichkeit unterscheiden kann – zwischen Gut und Böse.
Das Einzige, was ich sicher weiß, ist, dass es mittlerweile in der Höhle ebenso finster wie kalt ist, aber ich bin von Hunger und Durst zu geschwächt, um die Kerze anzuzünden.
Ich presse die Hände gegen die Wand und suche mit den Fingerspitzen nach meinen Vorfahren, lese ihre Namen wie Blindenschrift. Denke an Palomas Worte in ihrem Brief, dass ich lernen muss, das Trugbild zu durchschauen – im Dunkeln zu sehen, mit dem Herzen zu sehen –, und weiß, dass ich es alleine nicht schaffe. Ich brauche ihre Hilfe.
Ich umfasse mein Beutelchen und suche Trost in der harten Krümmung des Rabenschnabels. Doch meine Entschlossenheit hat dermaßen nachgelassen, dass mir das verfrühte Überschreiten der Grenze wie ein niedriger Preis für eine so große Belohnung erscheint.
Stolpernd komme ich auf die Beine, doch mein Gang ist so steif, dass ich gegen die Rassel trete, woraufhin die kleinen Perlen wie verrückt hin und her schlenkern, während ich, begierig nach Freiheit, dem Eingang zustrebe. Frei von der Dunkelheit und der Kälte, frei von der Visionssuche, frei von meiner Ausbildung als Suchende – begierig, mich von allem zu verabschieden –, als mich jemand unsanft am Arm zieht und mich zurückzerrt. Als ich mich umdrehe, sehe ich Valentina hinter mir stehen.
Ich erkenne sie an dem Geisttier, das sie mitgebracht hat – einem dunkeläugigen Waschbären mit gesenktem Kopf und gekrümmtem Rücken. Er fletscht die Zähne und läuft hin und her, stets sorgfältig darauf bedacht, der Grenzlinie vor der Höhle nicht zu nahe zu kommen.
Valentina ist jung. Hübsch. Und erinnert mich daran, wie Paloma im gleichen Alter ausgesehen haben muss, mit ihrem langen, dunklen Haar, den blitzenden braunen Augen und den nackten Füßen. Sie packt mich fest am Arm und zieht mich zu sich. Dabei murmelt sie eine lange Kette von Wörtern vor sich hin, die ich nicht verstehe, doch die Botschaft ist klar – ich soll nicht weitergehen. Ich soll bleiben, wo ich bin, an ihrer Seite.
Wenn sie etwas zu essen und zu trinken mitgebracht hätte, Mann, wenigstens eine kleine Decke, irgendetwas, um mich zu wärmen, dann würde ich es mir vielleicht noch mal überlegen. Doch da sie mit leeren Händen gekommen ist, treten meine unmittelbareren Bedürfnisse rasch wieder in den Vordergrund.
Ich reiße mich aus ihrem Griff los und halte auf den Ausgang zu, den Blick auf die weiße Grenzlinie fixiert, auf die Freiheit, die direkt dahinter lockt. Ich rede mir ein, dass es keine Schande ist zu versagen, dass nichts falsch daran ist,
diese Welt abzulehnen. Ihre Bräuche sind barbarisch, zu primitiv, um in unseren neuen, modernen Zeiten zu funktionieren.
Nur einen Schritt weit weg von allem, wonach ich mich sehne, ertönt hinter mir auf einmal eine andere Stimme und sagt: »Daire, mein liebes Mädchen, willst du das nicht für mich tun?«
Es ist Django.
Der Django von dem Schwarz-Weiß-Foto, das ich in meiner Brieftasche habe.
Und genau wie Valentina hat er sein Geisttier mitgebracht – einen riesigen, bedrohlichen Schwarzbären, der laut und zornig knurrt, während er hinter mir herumtappt.
Ein Schritt … nur noch ein Schritt, und ich kann all das hinter mir lassen. Ich muss nicht so enden wie er – muss keinen verfrühten Tod erleiden. Jetzt, da ich weiß, womit ich es zu tun habe, werde ich schon einen Weg finden, um sie zu überlisten – aber fürs Erste brauche ich einfach eine Auszeit von alldem …
Tut mir leid, Django.
Tut mir leid, Valentina.
Ich hab’s wirklich versucht. Aber ich lehne dieses Leben ab.
Noch ein Schritt, ein ziemlich großer allerdings, und die Freiheit ist mein.
Meine Fußspitze hält auf die andere Seite der Linie zu, als der Junge vor mir erscheint. Er schüttelt traurig den Kopf und hebt warnend einen Arm, während Valentina einen markerschütternden Schrei ausstößt. Django hält sich unterdessen dicht hinter mir und drängt mich mit leiser, ernster Stimme, es mir noch mal zu überlegen, hinzusehen, nachzudenken und nicht mehr mit den Augen und dem Bauch zu sehen, meinen unmittelbaren Bedürfnissen, sondern zu beginnen,
mit dem Herzen zu sehen und das Trugbild von der Wahrheit zu
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