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Vom Schisser zum Glückspilz in sechsundzwanzig Tagen

Vom Schisser zum Glückspilz in sechsundzwanzig Tagen

Titel: Vom Schisser zum Glückspilz in sechsundzwanzig Tagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maori Kunigo
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davonrast.
     
    Etappe 12: León —
San Martin del Camino (27,0 km)

Freitag, 11. September 2009
     
    Nach der Massenunterkunft von
León ist es kein Wunder, dass wir im Doppelzimmer von San Martin schlummern wie
zwei Murmeltiere. Dementsprechend fit machen wir uns noch vor sieben Uhr
Richtung Astorga auf, unserem heutigen Etappenziel. Auf der heißgeliebten N-120
ist noch nicht besonders viel los. Gut für uns, denn wir müssen sie überqueren.
Was die Verkehrssicherheit angeht, ist der Camino eine mittelschwere
Katastrophe. Gestern mussten wir auf einem schmalen, abschüssigen Streifen
entlanggehen, rechts die Leitplanke, links der Straßengraben. Möchte nicht
wissen, wie viele Omas da schon hinuntergekullert sind. Manchmal könnte man
meinen, der spanische Camino sei nicht wie die norddeutsche Via Baltica per
Begehung markiert worden, sondern grob in vorhandene, möglicherweise veraltete
Karten eingezeichnet. Anders kann man sich die absurden Streckenverläufe kaum
erklären.
    Bis Hospital de Órbigo trotten
wir sieben Kilometer neben der Nationalstraße entlang. Langsam taucht der
Sonnenaufgang die gesamte Landschaft um uns herum in sanft rötliches Licht.
Kurz vor neun erreichen wir die im dreizehnten Jahrhundert erbaute,
zwanzigbogige Brücke über den Río Órbigo. Sie ist die längste Brücke des
Jakobsweges und mit ihrem Kopfsteinpflaster für geschundene Pilgerfüße eine
Zumutung. In einer Bar unmittelbar hinter der Brücke nehmen Marcos und ich
unser Frühstück ein. Wie in jeder anderen Bar auf meinem bisherigen Weg läuft
der Fernseher. Und ich muss sagen: Nordspanien weist einige Parallen zu Japan
auf. Mal ist es irgendein Geruch, der Erinnerungen hervorruft, mal ist es die
brutale Hitze, die einem völlig humorlos die Haut von der Glatze brennt. Die
größte Ähnlichkeit allerdings habe ich beim TV-Programm entdeckt. Ich meine,
wir wissen alle was wir in Deutschland teilweise für eine Grütze ertragen
müssen. Aber an das Format »Z-Promis umringt von intellektuell massiv
eingeschränkten Zuschauern kommentieren zwei Stunden am Stück belanglose
Ereignisse« werde ich mich niemals gewöhnen können. Da sitzen die ernsthaft in
einem teuren, erstklassig ausgeleuchteten Studio, kommentieren heiße Gerüchte
um George Clooney oder die Schweinegrippe (und das in einem einzigen Atemzug!),
tun total seriös, als wären ihre substanzlosen Luftblasen unfassbar monumental
und von historischer Tragweite, und werden dafür auch noch von einem
unterbelichteten Publikum beklatscht und bejubelt. Ich meine, wie kann man
bitteschön ernsthaft über Madonnas Adoptionsposse diskutieren, sich bei diesem
Thema in Rage reden und auch noch verständnisvolles Nicken von erwachsenen
Menschen ernten? Was ich beim Frisör gerade noch so akzeptieren kann, muss
nicht gleich ins Fernsehen.
    Nun zur japanischen Fernsehlandschaft.
Durch die zahlreichen Videoplattformen im Internet sickern immer wieder
schlimme Dinge in den Westen, die selbstverständlich nur als die Spitze des
Eisberges zu betrachten sind. Allerdings ist diese in Japan verdammt spitz. Der
wohl prägnanteste Unterschied zwischen deutschen und japanischen
Trash-TV-Formaten besteht darin, dass in Deutschland normale Menschen möglichst
in Alltagssituationen aus eigenem Antrieb peinliche Dinge tun, dabei gefilmt
und mit süffisanten Off-Kommentaren gedemütigt werden. In Japan dagegen setzt
man überwiegend auf absurde Spielshows. Beispielsweise die, in der der Kandidat
seinen Kopf in eine Kunststoffröhre stecken musste. Erster Haken: In der Röhre
saß ein hungriger Waran. Zweiter Haken: Dem Kandidaten wurde ein saftiges Steak
auf den Kopf gebunden. Nun wurde gemessen, wie lang der Kandidat seinen Kopf in
der Röhre lässt. Oder die andere Sendung, in der ein Kandidat nackt in der Nähe
von Moskau ausgesetzt wurde. Ziel der Spielshow: nach Japan zurückfinden. Hat
er übrigens geschafft, Wenn auch erst nach einigen Monaten. Ein weiterer,
eklatanter Unterschied: Während japanische Extremshows überwiegend nur per
Pay-TV empfangbar sind, werden wir in Deutschland kostenlos zugemüllt.
    Natürlich existieren auch
Gemeinsamkeiten. Sowohl in Japan und Spanien als auch in Deutschland boomen
jene Sendungen in denen dummes Geschwätz als wahnsinnig wichtig verkauft wird.
In einer bestimmten japanischen Show beispielsweise sitzen fünfzehn
besorgniserregend dumme, junge Frauen herum und werden von dem Moderator eine
Stunde lang nach Strich und Faden verarscht. Die Sendung

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