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Vom Schisser zum Glückspilz in sechsundzwanzig Tagen

Vom Schisser zum Glückspilz in sechsundzwanzig Tagen

Titel: Vom Schisser zum Glückspilz in sechsundzwanzig Tagen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maori Kunigo
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sind viele von ihnen wegen mangelnder
Pflege unbewohnt oder sogar eingestürzt, aber hier und da finden sich liebevoll
renovierte Schmuckstücke, die nordafrikanisches Feeling aufkommen lassen.
Hinter Santibáñez de Valdeiglesias geht es bis zur Hochebene vor Astorga
konstant bergauf. Der Anstieg ist moderat, kombiniert mit der Hitze aber dann
doch recht knackig. Während wir zu Beginn noch eine karge, savannenartige
Landschaft durchqueren, passieren wir schon bald einige dicht bewaldete
Abschnitte. Kaum gelangen wir auf die Hochebene, bekommen wir allerdings unser
glühend heißes Backblech zurück. Längst haben sich Gill und Marcos mit Kopftuch
und Sonnenbrille vermummt. RAF, vierte Generation, unterwegs nach Astorga. Nach
wenigen Minuten treffen wir auf einen jungen Mann, der aus eigenem Antrieb
heraus den passierenden Pilgern Wasser, Kaffee, Fruchtsaft, frisches Obst und
selbstgebackenen Kuchen anbietet. Dafür will er keine Gegenleistung; wer
möchte, kann spenden. Immer wieder begegnen wir Menschen, die sich mit
unerschöpflicher Energie den Pilgern widmen und ihnen den Weg nach Santiago
einen Hauch erleichtern. Wie Marcelino kurz nach Logroño. Oder ein gewisser
Agapito, dessen Korb mit Obst, Keksen, Nüssen und Bonbons wir gestern passiert
haben. Über dem Korb hing ein Schild mit der Aufschrift:
    » Peregrino esto es para ti
te lo da Agapito el amigo de los peregrinos«. Genauso ohne Punkt und Komma.
Pilger, dies ist für euch. Von Agapito, dem Freund der Pilger. Mich persönlich
beeindrucken diese Menschen wesentlich mehr als jede pompöse Kathedrale.
    Heute zickt mal wieder mein
rechtes Schienbein herum, aber mittlerweile weiß ich ja, wie ich mich zu
verhalten habe. Während Marcos und Gill den Kuchen probieren, laufe ich schon
mal im Schneckentempo weiter. Da es hier absolut flach ist, sehe ich schon von
weitem das steinerne Wegkreuz von Santo Toribio. Über Santo Toribio weiß mein
Wanderführer zu berichten, dass er im fünften Jahrhundert Bischof von Astorga
war. Man sagt, er habe nach einer falschen Anschuldigung wütend die Stadt
verlassen. »Noch nicht mal den Staub von Astorga will ich mitnehmen!«, soll er
gerufen und seine Sandalen gereinigt haben. Eine Hammergeschichte, wie ich
finde. Von hier aus bietet sich dem Pilger ein wunderschöner Panoramablick auf
die Zwölftausend-Einwohner-Stadt. Anschließend geht es steil hinunter ins Dorf
San Justo de la Vega, wo ich mich erst einmal auf eine Bank fläze und auf meine
beiden Terroristen warte.
    Auf einem Feldweg geht es
schließlich nach Astorga. Bevor wir allerdings auf den Hügel klettern dürfen,
auf dem der Ort erbaut wurde, wartet ein Bahnübergang auf uns. Sollte
eigentlich nicht der Rede wert sein. Dieser hier allerdings hat es in sich: Um
weder Zug noch Pilger aufzuhalten, haben sie die alte Straße mit einem Zaun zu
einer Sackgasse gemacht und eine Fußgängerbrücke über die Schienen errichtet.
Und damit auch die Fahrrad- und Pferdepilger sicher auf die andere Seite
gelangen, wurde auf Treppenstufen vollständig verzichtet. Im normalen Lauftempo
dauert es geschlagene drei Minuten, bis man das monströse Rampenkonstrukt
überquert hat. Drei Minuten für zehn Meter, ich werd’ bekloppt.
    Nun geht es steil hinauf, und
nach wenigen Augenblicken erreichen wir die Herberge »Siervas de María«,
untergebracht in einem ehemaligen Konvent. Wie schon in León begrüßt uns auch
hier eine deutsche hospitalera. Von innen versprüht die Herberge den
Charme einer städtischen Musikschule, aber wenigstens ist es sauber und die
Atmosphäre sympathisch. Natürlich treffen wir jede Menge bekannter Gesichter
wieder. Apropos bekannte Gesichter: in dem verschachtelten Gebäude gibt es
mindestens eine Million Zimmer, es pilgern täglich gut und gerne drei
Milliarden Menschen nach Astorga. Aber als Gill, Marcos und ich unseren
Acht-Bett-Raum betreten, verpufft die ganze Rechnung innerhalb einer Sekunde.
Ich weiß nicht, wer sich hier gegen uns verschworen hat, oder ob in letzter
Zeit in Spanien per Dekret die Wahrscheinlichkeitsrechnung abgeschafft wurde,
aber auf dem Bett liegt Mister Missing Link himself, Simon der Denker!
Wie die meisten Menschen nach einem traumatischen Erlebnis fragen auch wir uns
völlig zu Recht: Warum?! Völlig stumpf sabbelt er Gill und Marcos auf Deutsch
zu, während er sich mit mir ausschließlich auf Englisch auseinandersetzt.
    Mein Hinweis »Die können kein
Deutsch!« beantwortet er ernsthaft mit einem »Oh, äh... thank

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