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Vom Schlafen und Verschwinden

Vom Schlafen und Verschwinden

Titel: Vom Schlafen und Verschwinden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katharina Hagena
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Schädelkalotte überzog.
    – Aus dem Book of Durrow, murmelte Orla, das Gesicht auf meinen Oberschenkeln.
    – Du bist noch nicht achtzehn. Wie konntest du.
    – Ich habe Sheilas Ausweis genommen.
    – Sheila ist auch noch nicht achtzehn.
    – Ich meine den Ausweis ihrer Schwester.

    – Das Tattoo-Studio kann schließen, ich werde den Tätowierer verklagen, er soll bluten.
    – Es war eine Frau.
    – Noch schlimmer. Womöglich eine Mutter.
    Ich versuchte, mich in Rage zu reden, um irgendwie tätig werden zu können, aber ich war nicht mit dem Herzen dabei, also verstummte ich wieder.
    Schließlich raffte ich mich auf.
    – Orla, was ist denn nur?
    – Nichts.
    – Ich weiß, dass etwas ist. Orla, meine Orla. Hat dir jemand etwas Böses getan?
    Auf diese Frage erwartete ich keine Antwort. Sie gehörte zum Ritual. Als sie noch klein war und mit einem Kümmernis nach Hause kam, stellte ich diese Frage und wieder eine und dann die nächste, bis sie damit herausrückte, dass sie sich mit einer Freundin gezankt oder von einem Lehrer gerügt worden war.
    Doch diesmal sagte Orla:
    – Ja.
    Mir wurde schlecht.
    – Wer war es?
    – Sag ich nicht.
    – Bitte, du musst es mir sagen.
    – Und dann?
    – Dann werde ich überlegen, was ich tue. Ich werde zur Polizei gehen oder zu dem Menschen selbst und mit ihm reden, oder ich bringe ihn einfach um.
    – Das wirst du alles nicht.
    – Warum nicht?
    – Weil ich so blöd bin. Ich bin so schafsblöd, es ist nicht zu fassen.
    – Quatsch.
    – Also Patrick --

    – Welcher Patrick? Declans Patrick? Was ist mit ihm? Was hat er gemacht? Wann? Soll ich mit Declan reden? Was war?
    – Mama.
    – Ja, schon gut. Also Patrick?
    Und so erzählte sie mir, ohne dabei das Gesicht von meinen Beinen zu nehmen, dass sie nach ihrem Geburtstag bei Patrick gewesen sei. Patrick war Declans Manager. Er hatte Declan gesagt, dass er, Patrick, noch ein Geburtstagsgeschenk für Orla zu Hause liegen habe, sie solle nach der Schule kurz vorbeikommen. Orla kannte Patrick schon ihr ganzes Leben, er war Declans bester Freund, sein einziger Vertrauter und fast so etwas wie sein großer Bruder. Er und seine Frau Anne gehörten gewissermaßen zur Familie. Und Orla war oft nach der Schule bei ihnen gewesen.
    Patrick öffnete die Tür, Anne war noch im Büro.
    – Hier kommt das Geburtstagskind und fordert seinen rechtmäßigen Besitz! Komm rein.
    Patrick zwinkerte ihr fröhlich zu und verbeugte sich, als sie über die Schwelle trat.
    Er holte einen Briefumschlag von der Anrichte im Wohnzimmer, Orla öffnete ihn und fand einen Gutschein von HMV , dem Musikladen in der Innenstadt, über fünfzig Euro. Das war sehr viel Geld.
    Er sei nett gewesen, sagte Orla, genau wie immer. Und habe mit ihr herumgescherzt, und dann habe er gesagt, er wolle das Geburtstagskind noch einmal auf den Schoß nehmen. Sie sei ja bald größer als er. Orla habe gelacht und gesagt, sie sei doch schon ein Stück größer als er.
    Orla hatte eigentlich keine Lust, auf seinen Schoß zu klettern, aber sie wollte keine Spielverderberin sein, außerdem hatte sie gerade ein großes Geschenk bekommen, und sie mochte Patrick wirklich gern. Und ein bisschen verrückt war er immer schon gewesen, deshalb mochte sie ihn ja.Also setzte sie sich auf seinen Schoß, und er lachte und beschwerte sich darüber, wie groß sie geworden sei, die Riesin Eriu selbst. Orla lachte auch, obwohl es ihr schon ein bisschen peinlich war. Und dann fing er an zu singen und sie auf den Beinen zu schütteln.
    Wie bei Hoppe, hoppe Reiter, sagte Orla. Erst nur ein bisschen, dann immer mehr, ruckhaft, er habe aufgehört zu singen und nur noch etwas gestöhnt, dass sie so groß geworden sei, so groß. Er habe sie sich besser zurechtgerückt. Und sie habe gedacht, er habe nur irgendwas in der Hosentasche, ein Taschenmesser oder ein Portemonnaie. Und erst als er angefangen habe zu keuchen, habe sie gemerkt, dass er sich Lust mache, aber nicht einmal da habe sie aufspringen können, sondern sei wie gelähmt gewesen, und dann habe er ihr an die Brust gefasst, und da erst habe sie gesagt, sie müsse jetzt nach Hause. Wie ein Schaf.
    Sie tat so, als sei nichts gewesen, nahm ihren Gutschein und sagte Tschüss, wie immer, und Grüße an Anne. Er sagte, Grüße an Declan und Ellen. Und als sie draußen stand, glaubte sie, dass es gar nicht passiert sei. Patrick sah sie danach noch zweimal, einmal bei uns zu Hause, einmal beim Einkaufen, er grüßte sie und war so herzlich wie immer.
    Er

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