Vom Tod verführt: Roman (German Edition)
wusste ich, dass mir niemand gefolgt war. Als ich aus dem Wagen stieg, blickte ich sehnsüchtig auf mein Telefon. Ich wünschte, ich hätte John anrufen und diese ganze Angelegenheit ihm überlassen können. Aber das ging nun mal nicht, und selbst wenn er nicht im Krankenhaus gewesen wäre, hätte er sich auf Roys Geschichte bestimmt keinen Reim machen können. Ich konnte es ja selbst nicht.
Ich musterte die vor mir liegende riesige Lagerhalle, während ich den unbefestigten Parkplatz überquerte, auf dem ich meinen Wagen abgestellt hatte. Behauptete ich nicht immer wieder, dass ich Privatdetektivin sei und nicht nur ein » Magisches Auge«? Okay, dann war es an der Zeit, endlich mit richtiger Detektivarbeit anzufangen.
Roy hatte mir erklärt, dass die Verladetore mit Türen aus Aluminium verschlossen waren und dass eins der Bleche in der mittleren Tür lose war, sodass ich mir leicht Zugang ins Innere verschaffen könne, wo das Ritual durchgeführt worden war. Das richtige Tor zu finden war kein Problem, aber das Blech mit einer geschienten Hand aufzuschieben, war nicht gerade das Leichteste, was ich je getan hatte.
Das Blech schabte über den Zementboden, als ich daran zog, doch ich schaffte es nicht, es weiter als dreißig Zentimeter aufzuziehen. Okay, das muss reichen. Ich zwängte mich durch den Spalt, den ich geöffnet hatte, und wurde von der Düsternis, die das alte Warenhaus erfüllte, regelrecht verschluckt.
Ich blinzelte, wartete, bis sich meine Augen an die Lichtverhältnisse gewöhnt hatten. Nach und nach erkannte ich große Haufen von geborstenen Kisten. Vorsichtig umrundete ich die, die direkt vor mir lag. Der Staub von Jahren lag darauf. Ob wirklich erst vor Kurzem jemand hier gewesen war?
Ich kniete mich hin, begutachtete den Boden und sah Fußspuren in all dem Staub, die definitiv nicht meine waren. Sie könnten aber auch von Landstreichern stammen, die hier Schutz gesucht haben. Oder Roy hatte doch recht.
Ich schlich um einige weitere Kisten. Nichts anderes bewegte sich. Nur das Klacken meiner Stiefel auf dem kahlen Boden war zu hören. Ich kletterte über ein verrottetes Stück Sperrholz. Überall hingen Schatten, doch der Ort wirkte unberührt.
Ein Kältehauch streifte meinen Nacken, und ich schrak zusammen. Als ich mich umdrehte, stand ich mit Roy Gesicht an Gesicht.
» Ich hatte mich schon gefragt, ob du mir Gesellschaft leisten würdest«, sagte ich.
Er lächelte und entgegnete etwas, was ich nicht hören konnte. Ich meinte jedoch, so etwas wie » Hier entlang« von seinen Lippen ablesen zu können, und da er sich an mir vorbeischob und dann auf eine Tür zuhielt, nahm ich an, dass er das auch gesagt hatte.
» Okay, dann geh vor«, sagte ich und folgte ihm.
Ich weiß nicht, was ich im nächsten Raum zu finden erwartet hatte. Eine Leiche vielleicht. Obwohl das Unsinn war, denn Colemans Leichnam, beziehungsweise der von Roy, war ja bereits aufgetaucht, und der andere spazierte irgendwo durch die Gegend. Was ich nicht erwartet hatte, war, dass ich gar nichts finden würde.
Absolut nichts.
Hier lagen keine Kisten herum. Keine gesplitterten Balken. Nicht mal Staub bedeckte den Boden. Es war einfach nur ein großer, leerer Raum, der durch einige Oberlichter erhellt wurde.
Roy ging zur Mitte des Raums und zeigte auf den Boden, als ob er » Hier!« sagen wollte. Ich blickte ihn stirnrunzelnd an. Das brachte doch alles nichts. Das war… sinnlos.
Nichts als ein großer, leerer Raum.
Ich trat weiter vor. Und spürte plötzlich Magie auf meinen bloßen Armen prickeln. Unwillkürlich hielt ich den Atem an. Die Magie fühlte sich ölig-schwer an, finster, doch sie war nicht aktiv. Was auch immer ich da spürte, war der schmutzige Nachhall eines Zauberrituals.
Die Magie streifte mich erneut, als ob sie mich abschätzen wollte, und die Kratzer auf meiner Schulter schmerzten. Oh, ich mag dieses Gefühl nicht. Was natürlich bedeutete, dass ich nun erst recht meine Nase in diese Sache stecken musste.
Auch ich war sensitiv begabt, obwohl ich längst nicht so gut war wie Tamara. Aber ich hatte ein Händchen dafür, die Absicht eines Zaubers aufzudecken und seine Bedeutung zu erkennen. Wenn ich doch nur halb so viele Zaubersprüche wirken könnte, wie ich sie erspürte! Doch vor dieser Magie schreckte mein Geist zurück– was auch immer sich hier abgespielt haben mochte. Vielleicht ist mein Unterbewusstsein klüger als ich!
Ich wagte mich noch ein paar Schritte weiter. Die Magie hüllte mich
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