Vom Tod verführt: Roman (German Edition)
diesem Nachmittag per E-Mail eine Kopie des Vertrags zukommen lassen würde.
Während ich gesprochen hatte, war der Klang der Sirene näher gekommen. Ich hängte mir meine Tasche mit den dreizehn Cent, dem Kaugummipapier und der Büroklammer über die Schulter.
» Wann wirst du mit seinem Geist reden?«
Geist? Ich verkniff mir ein Aufstöhnen und verzichtete darauf, sie zu korrigieren. Wenn sie in all den Jahren nicht kapiert hatte, dass Geister wandelnde, mit Bewusstsein versehene Seelen waren, Schatten dagegen lediglich Erinnerungen, dann hatte sie mir niemals zugehört.
Stattdessen erwiderte ich: » Wenn du dabei sein willst, um Colemans Schatten Fragen zu stellen, müssen wir warten, bis die Polizei den Leichnam freigibt und er begraben ist. Wenn du deine Antworten schneller haben möchtest, könnte ich ihn im Leichenschauhaus befragen, aber dann darfst du nicht bei dem Ritual anwesend sein.«
Sie sagte nichts, ich hörte nur ihr heftiges Atmen und ließ ihr einen Moment, um nachzudenken.
Die Sirene klang nun ganz nah.
» Im Leichenschauhaus.« Caseys Tonfall veränderte sich. » Wann kriege ich deine Rückmeldung?«
Es war nicht einfach, in einer laufenden Ermittlung Zugang zu der Leiche eines so prominenten Opfers zu erhalten, doch ich hatte in den drei Jahren, seit ich » Eine Stimme für die Toten« betrieb, einige Verbindungen aufgebaut. » Ich habe einen Freund auf dem Revier. Ich werde ihn anrufen, aber ich kann dir nichts versprechen. Falls ich heute noch ins Leichenschauhaus komme, melde ich mich gegen Abend bei dir. Wenn nicht, gebe ich dir morgen Nachmittag Bescheid.«
Ich beendete das Gespräch und speicherte Caseys Nummer, dann ging ich zur Tür, um den Sanitätern zu öffnen. Der Krankenwagen hielt gerade an, direkt dahinter kam ein schwarz-weißer Streifenwagen zum Stehen. Gut, dann konnten mich die Cops vielleicht mitnehmen. Die Eiseskälte in Mrs. Bakers Blick kroch meine Schultern hoch. Hoffentlich würde ich vorn im Streifenwagen sitzen, nicht hinten, unter Arrest stehend.
Während die Sanitäter die Treppe heraufeilten, ging ich auf dem Handydisplay die Nummern meiner Kontaktpersonen durch, bis ich die eines gewissen mir gut bekannten Detectives im Morddezernat gefunden hatte. Nach dem dritten Klingeln meldete sich seine brummige Stimme.
» He, John«, sagte ich und trat beiseite, um den Jungs Platz zu machen. » Kannst du mir einen Gefallen tun?«
Die Türen der Zentralen Polizeibehörde von Nekros City glitten zur Seite, und kalte Luft schlug mir entgegen. Der Schweiß, der nach dem kurzen Fußweg an meinem ganzen Körper klebte, kühlte augenblicklich ab. Es war sechs Uhr am Nachmittag, und die Temperatur war immer noch nicht unter siebenunddreißig Grad gefallen. Man muss den Süden schon sehr lieben, um ihn im Sommer zu ertragen.
Ich strich eine blonde Strähne, die aus meinem Pferdeschwanz entwischt war, aus dem Gesicht und wandte mich noch einmal um, um den beiden Polizisten zuzuwinken, die mich mitgenommen hatten. Ich war wegen Bakers Tod nicht festgenommen worden, allerdings hatte es im Beerdigungsinstitut durchaus einige angespannte Momente gegeben.
Doch schließlich war Tamara, die Gerichtsmedizinerin, aufgetaucht und hatte nach einer ersten Untersuchung bestätigt, dass sich keine magische Beeinflussung an Baker feststellen ließ, und ich hatte endlich zum Leichenschauhaus aufbrechen können. Dort wollte ich mich mit John treffen. Mein Lieblings-Detective aus dem Morddezernat hatte zugestimmt, dass ich mir Colemans Leiche anschauen dürfe, doch nur, wenn ich ihm ebenfalls einen Gefallen tue. Was nichts anderes hieß, als dass ich einen weiteren Schatten beschwören sollte.
Die Cops fuhren vom Parkplatz. Ich hielt auf den Sicherheitsbereich zu und nahm meine Brieftasche und das rituelle Messer aus meiner Handtasche, bevor ich die Tasche aufs Band legte. Während sie durchleuchtet wurde, deponierte ich das Messer in dem Körbchen, das mir die Wache reichte. Ich gab dem Mann das Körbchen zurück und händigte ihm dann meine Brieftasche aus, die ich bereits aufgeschlagen hatte, damit er meine Detektiv-Lizenz sowie mein Magier-Zertifikat sehen konnte, ausgestellt von der OMBM , der Organisation für magisch begabte Menschen. Er überprüfte beides und konfiszierte das Messer, was ich auch nicht anders erwartet hatte. Schließlich passierte ich den Metalldetektor. Alles war okay, der Magiedetektor jedoch schlug an, als ich hindurchging.
Die Wache hielt mich an und griff
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