Vom Tod verführt: Roman (German Edition)
live?«
Lusa lächelte mich an. » Das ist für die Sendung am Montagabend. Es sei denn, ich bekäme eine bessere Geschichte.«
Mist. » Was halten Sie von einer Exklusivgeschichte? Allerdings müssten Sie noch etwas warten.«
» Ich habe Termine, Miss Craft.«
Ich sah sie nachdenklich an. Verraten konnte ich ihr noch nichts, und ganz sicher würde ich auch bis Montag nichts für sie haben. Doch sie war ein Profi. Wenn ich ihr eine Story vor die Nase hielt, die groß und wichtig genug war, dann würde sie anbeißen. Ohne den Blick von ihr abzuwenden, sagte ich: » Roy, möchtest du, dass über deine Geschichte im Fernsehen berichtet wird?«
Der Geist starrte mich an. » Geht das denn? Ich meine, mich kann doch niemand sehen.«
» Roy, gib mir deine Hand– und verrat jetzt bitte nichts Vertrauliches!«
Ich hielt ihm meine Hand hin, und er ergriff sie. Dann griff ich nach der Schattenkraft, die sich um mich herum in der Luft befand, und lenkte sie durch meinen Körper in Roy hinein. Ich hatte noch nie versucht, einen Geist sichtbar zu machen, doch als Lusa hörbar nach Luft schnappte, wusste ich, dass es mir gelungen war.
Aber sie hatte sich schnell wieder unter Kontrolle und gab erneut den coolen Profi. » Okay, ein Geist. Na und? Was für eine Geschichte soll das sein?«
» Ich weiß mehr über die Leiche dort unten im Leichenschauhaus als jede lebende Person«, sagte Roy.
» Die Leiche des verstorbenen Gouverneurs?«, wollte Lusa wissen. Als Roy nickte, wandte sie sich ihrem Kameramann zu. » Ist er auf dem Film zu sehen?«
Er drückte einen Knopf. » Ja. Er schimmert ein bisschen, aber man kann ihn gut sehen.«
Lusa drehte sich wieder zu mir. » Ich bekomme also eine Art Interview mit dem Geist im Austausch dafür, dass ich das Material, das ich über Sie habe, nicht veröffentliche?«
Ich löste mich von der Schattenkraft und ließ Roys Hand los. » Ja. Er heißt Roy Pearson. Wenn ich diesen Fall gelöst habe, und erst dann, bekommen Sie ein Exklusiv-Interview. Als Gegenleistung erhalte ich sämtliches Material, das Sie über mich haben, auch eventuell vorhandene Kopien.«
Sie nickte. » Abgemacht. Aber ich werde die Aufnahmen bis nach dem Interview behalten, und wenn Sie einen Rückzieher machen, kann ich sie immer noch veröffentlichen.«
Wir gaben uns die Hand darauf. Ich würde den Coleman-Fall lösen, denn ich hatte nicht vor, Lusa die Möglichkeit zu geben, meinen guten Ruf zu ruinieren– auch nicht posthum.
16. Kapitel
Ü ber dem Platz des Senatssprechers können Sie das Porträt von Greggory Delane sehen, unserem ersten Gouverneur, nachdem unser Staat als 54. der USA anerkannt worden ist. Delane wurde zu einer Zeit gewählt, als die Bevölkerung auf den neu entfalteten Existenzebenen noch nicht so unterschiedlich war, und er ist einer von drei Gouverneuren in der Geschichte unseres Staates, die dem Feenvolk entstammten.«
Drei, von denen ihr wisst. Ich kenne noch mindestens einen mehr. Laut jedoch sprach ich das nicht aus. Ich hielt mich im Hintergrund der Besuchergruppe. Einer Gruppe, die aus der Fremdenführerin, einer vierköpfigen Familie und mir bestand. Mich abzusetzen würde nicht so leicht sein, wie ich gedacht hatte.
» Macht euch Lebenden heute so was tatsächlich Spaß?«, fragte Roy.
» Pst!«, zischte ich, obwohl es albern war; schließlich war ich die Einzige, die ihn hören konnte. Ich trat ein Stück beiseite und bemühte mich, leise zu sprechen. » Weißt du, wo die Büros sind?«
» Ja, falls sie euch durch den Flur vor dem Sitzungssaal führt, kommt ihr direkt an den Büros vorbei. Zwei Leute halten sich zurzeit dort auf.«
Ich nickte nur, denn in diesem Moment drehte sich die Führerin um. » Bitte bleiben Sie alle zusammen«, sagte sie streng.
Wobei sie mit » alle« mich meinte.
Ich folgte der Familie aus dem Sitzungssaal. Das Paar hatte zwei kleine Kinder. Der Älteste, der Junge, war höchstens sechs. Er fasste alles an, was er nicht anfassen sollte, trödelte herum, dann blieb er plötzlich stehen und spuckte seinen Kaugummi in die Hand. Schnell schaute er sich um, bevor er zu einer Marmorstatue ebenjenes ersten Gouverneurs trat.
» Danny, nein!«, rief sein Vater, doch es war bereits zu spät.
Der Junge klebte den Kaugummi an die Statue, und in diesem Augenblick drehte sich die Fremdenführerin um.
Entsetzen lag in ihrem Blick. » Hat er gerade…«
» Es war keine böse Absicht«, versicherte der Vater, doch die Führerin rannte bereits zu der
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