Vom Tod verführt: Roman (German Edition)
sich gegen die Wand. » Niemand hört zu.«
» Tatsächlich? Dann macht es also nichts aus, wenn ich den illegalen Wahrheitszauber erwähne, den Sie gestern bei mir angewandt haben?«
Diesmal kam keine Reaktion, doch ich wusste, was ich gesehen hatte. Vorhin hatte er erst reagiert, dann nachgedacht.
» Versuchen Sie, mich zu reizen, Miss Craft?«
» Nein.« Ich will nur sichergehen, dass wir allein sind. Ich ließ mich auf einen der Stühle sinken. » Ich habe das Büchlein gestern Abend in Caseys Schlafzimmer gestohlen.«
Er zog eine Augenbraue hoch. » Der Tochter des Gouverneurs? Ihrer Schwester?«
» Ich hab doch gesagt, es ist kompliziert.« Und es konnte einen handfesten Skandal auslösen. Obwohl es mir vielleicht noch Spaß gemacht hätte, meinen Vater in die Bredouille zu bringen, konnte diese Angelegenheit für alle, die darin verwickelt waren, übel ausgehen.
» Ich hatte vor, das Buch zu zerstören, doch nachdem wir gestern Abend in dem Lagerhaus waren… ich habe einfach nicht mehr daran gedacht, dass ich es bei mir habe.«
Falin setzte sich mir gegenüber auf den anderen Stuhl und massierte sich mit Daumen und Zeigefinger den Nasenrücken. Er wirkte nun nicht mehr so wütend, sondern nur noch müde.
» Weshalb sind Sie hergekommen, Alex?«
» Ich wollte in die Gerichtsmedi…«
» Sie dürfen hier im Moment keine Schatten beschwören.«
Ich sah ihn an. » Ich wollte Tamara einfach nur ihr Kleid zurückgeben.«
» Geben Sie es mir, ich bringe es ihr.« Er streckte seine Hand aus.
» Ich, hm, nun ja… es ist nicht gerade im allerbesten Zustand. Es wäre besser, wenn ich es ihr selbst gäbe.« Was stimmte. Es war so voller Staub und Dreck aus dem Lagerhaus gewesen, dass ich es in Calebs Waschmaschine gesteckt hatte, nachdem ich am Morgen nach Hause gekommen war. Und erst hinterher war mir klar geworden, dass ich es besser in die Reinigung gegeben hätte.
Falin stand auf und steckte das Büchlein ein. Dann öffnete er die Tür. » Prima. Ich war sowieso auf dem Weg in die Gerichtsmedizin. Ich begleite Sie. Und wagen Sie es ja nicht, einer der Leichen zu nahe zu kommen.«
» Das mit dem Kleid tut mir echt leid.«
» Ist schon okay. Nehmen wir es als Opfer bei dem Versuch, dein gesellschaftliches Leben aufzupeppen.« Tamara lächelte mich schief an. » Aber lass dir einen guten Rat geben: Die Nacht hätte für dich nicht in Handschellen enden sollen– es sei denn, du stehst darauf.«
» Tamara!«, stieß ich hervor, doch wir mussten beide lachen.
Wir standen im Korridor vor der Gerichtsmedizin. Offensichtlich wollte Falin mich nicht näher an die Leichen heranlassen, als glaubte er, ich würde so ganz nebenbei ein paar Schatten beschwören, sobald ich das Leichenschauhaus betrat. Er war natürlich hineingegangen.
Dabei war ich, wenn ich ehrlich war, sogar froh darüber, dass so viel Abstand zwischen mir und den Toten lag. Ohne meine zusätzlichen Schutzzauber spürte ich selbst hier draußen, wie die Grabeskraft nach mir griff. Doch das würde ich Falin nicht auf die Nase binden.
» Ich werde dir das Kleid ersetzen«, fuhr ich fort und vermied es, auf den eingelaufenen Fetzen schwarzen Stoffs zu blicken, den ich Tamara zurückgegeben hatte. Sobald ich den Scheck von der Stadt bekam, würde ich Tamara ein neues Kleid kaufen.
» Alex, jetzt mach dir mal keine Sorgen. Ich habe es sowieso nur einmal angehabt.«
» Komisch– irgendwie fühle ich mich dadurch auch nicht besser.«
Sie schüttelte den Kopf und lächelte dann. » Danke, dass du es zurückgebracht hast, aber ich weiß, dass du nicht nur hierhergekommen bist, um mir ein ruiniertes Kleid zurückzugeben. Was willst du?«
Erwischt. » Ich wollte dich um noch einen Gefallen bitten.« Ich duckte mich, tat so, als ob ich Angst hätte. Sie verdrehte die Augen, legte eine Hand an ihre Hüfte und wartete. » Kannst du dich noch daran erinnern, wie du damals den Ärger mit dem Video-Stalker hattest?«, fragte ich. » Und du einen Zauber gewirkt hast, der dich für alle Kameras unsichtbar machte?«
Sie runzelte die Stirn. » Was hast du vor, Alex?«
» Ich hab es einfach nur satt, mein Gesicht ständig in den Abendnachrichten zu sehen und auf den Titelseiten der Zeitungen.« Was ja keine Lüge war. Ich hatte zwar nicht vor, den Zauber aus diesem Grund zu nutzen, aber es stimmte trotzdem.
Sie sah mich prüfend an, und ich schenkte ihr mein unschuldigstes Lächeln. Dann nickte sie und löste einen Anhänger von ihrem Silberarmband. Er
Weitere Kostenlose Bücher