Von ängstlichen Drachen, halben Mänteln und zahmen Wölfen - die schönsten Heiligenlegenden neu erzählt
sah Georg, wie groß der Drache wirklich war – undwie scharf seine Krallen, wie riesig seine Zähne und wie heiß sein Atem. „Äh“, stotterte er, „wie ich schon sagte, ich bin Georg“, dann musste er erst einmal schlucken, weil er doch ein bisschen Angst hatte. „Georg, der Furchtlose“, sagte er. „Ich, ich, ich packe Teufel bei den Hörnern, rette Jungfrauen, verschaffe den Armen Recht …“ Georg war immer leiser geworden. „Und manchmal, manchmal besiege ich auch Drachen“, flüsterte er schon fast. Da riss der Drache die Augen auf.
„Du bist Georg, der Drachentöter?“, fragte er entsetzt. „Ja, der bin ich“, sagte Georg schon etwas mutiger. „O, bitte, verschone mich!“, bettelte der Drache da plötzlich. „Du hast meine Familie beinah ausgelöscht, ich bin der Letzte, der noch lebt! Töte mich nicht, ich tue, was du willst!“, flehte der Drache und legte seinen riesigen Kopf demütig vor Georg auf die Erde.
„Nun, äh, ja“, sagte Georg etwas verwirrt. „Dann habe ich jetzt gewonnen?“, frage er sicherheitshalber noch einmal nach. „Ich rühre keine Menschen mehr an, wenn du mich nur leben lässt“, sagte der Drache noch einmal. „Dann, dann …“, überlegte Georg. „Prinzessin, gebt mir doch Euren Gürtel“, sagte er dann plötzlich zur Königstochter.Die schaute etwas verwirrt, gab ihm aber das Gewünschte. Eilig band Georg dem Drachen den Gürtel um den Hals. „Und nun kommst du mit, entschuldigst dich bei den Bewohnern von Silena und verschwindest dann von hier – auf Nimmerwiedersehen!“, rief er und zerrte den Drachen hinter sich her Richtung Stadt. „Kommt, Prinzessin, helft mir!“, sagte er und reichte ihr das andere Ende des Drachenhalsbandes. Fröhlich zogen sie nun durch das Stadttor ein. Nach und nach kamen alle Bewohner von Silena aus ihren Häusern und versammelten sich um die drei.
Da kam der König ganz unmajestätisch die Gasse entlang gelaufen und nahm seine Tochter mit Tränen in den Augen in die Arme. „Georg, wie kann ich dir je danken, dass du meine Tochter, aber auch die ganze Stadt gerettet hast?“, fragte er, nachdem er die ganze Geschichte von seiner Tochter gehört hatte.
„Ich will kein Gold und kein Geld“, sagte Georg, „ich wünschte nur, ihr würdet nicht an Götter glauben, die euch befehlen, Menschen zu opfern. Glaubt an meinen Gott, an den Gott der Christen, er hat mich noch immer aus jeder Gefahr gerettet. Jedes Mal, wenn ich einen Teufel bei den Hörnern …“ „Ja, ja, schon gut“, sagte der König, der das Sprüchlein von Georg nun auch schon einige Male gehört hatte. „Das wollen wir nach dem heutigen Tag gerne tun. Kannst du uns nicht taufen?“, fragte er Georg. Und das tat dieser natürlich mit Freude!
Der Drache hatte die ganze Zeit reglos am Boden gelegen und nur ab und zu noch ein Rauchwölkchen ausgestoßen. Als er nun sah, wie sich alle Bewohner taufen ließen, seufzte er ein letztes Mal und starb. Vierzig Mann brauchte es, um den toten Drachen aus der Stadt zu ziehen. Und während die Stadtbewohner noch ausgelassen feierten, machte Georg sich wieder auf, um den nächsten Teufel bei den Hörnern zu packen, den nächsten Drachen zu besiegen, die nächste Jungfrau zu retten und dem nächsten Armen Recht zu verschaffen.
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Namenstag:
23. April
Mit Lucia geht die Sonne auf
Schon als Kind hatte Lucia ein großes Herz, in dem alle Menschen und Tiere Platz fanden, die es schwer hatten. Sie konnte an keinem Regenwurm vorbeigehen, ohne ihn vor dem Vertrocknen oder den Vögeln zu schützen, an keiner Katze, ohne sie zu streicheln. Und wenn sie mit ihrer Mutter durch die Stadt Syrakus ging und die armen und kranken Menschen am Wegrand betteln sah, riss sie sich von ihrer Hand los und ging zu ihnen, um sie wenigstens zu fragen, wie es ihnen ging. Für diese Menschen war Lucia wie ein Sonnenstrahl in ihrem dunklen Leben. Mit ihrer Fröhlichkeit steckte sie jeden an, auch wenn er noch so traurig war.
Auch für Eutychia, ihre Mutter, war Lucia ein solcher Sonnenstrahl, denn ihr Mann war bald nach Lucias Geburt gestorben. Nun war sie allein mit dem Kind. Und selbst wenn ihr Mann ein reicher römischer Beamte gewesen war und sie nun nicht am Hungertuch nagen mussten, so litt sie doch schon lange an einer Krankheit, die ihrnach und nach das Leben aus den Adern zog. Aber egal wie grau der Tag war und wie trüb die Aussichten für sie beide: Lucia schaffte es immer, ihre Mutter zum Lächeln zu bringen. „Meine Sonne“,
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