Von ängstlichen Drachen, halben Mänteln und zahmen Wölfen - die schönsten Heiligenlegenden neu erzählt
immer wieder aufstehen und gesund werden.“ Dann schwang er sich auf sein Pferd, schlang seinen Mantel um sich und reckte stolz den Kopf. „Aber jetzt muss ich weiter, zum nächsten Teufel, zum nächsten Drachen, zur nächsten Jungfrau, zum nächsten Armen“, sagte er zum Abschied und galoppierte davon.
Eines Tages kam er in die schöne Stadt Silena. Georg hatte gehört, dass es eine sehr reiche Stadt mit einem gütigen König sei. Und da er gerade wieder einen heftigen Kampf gewonnen hatte und seine Wunden noch nicht ganz verheilt waren, dachte er sich: „Dakann ich vielleicht so was wie Urlaub machen.“ Doch als er durchs Stadttor ritt, fand er die Stadt wie ausgestorben vor. Niemand war auf der Straße zu sehen. Alle Läden hatten geschlossen, die Fenster der Häuser waren mit schwarzen Tüchern verhängt und es lag eine schreckliche Stille über der Stadt.
Als er auf dem Marktplatz ankam, rief er sein Sprüchlein über das leere Pflaster: „Ich bin Georg, der Furchtlose! Wo gibt es einen Teufel, den ich bei den Hörnern packen, einen Drachen, den ich besiegen, eine Jungfrau, die ich retten, oder einen Armen, dem ich Recht verschaffen soll?“ Seine Stimme hallte von den Häusern wieder, aber niemand antwortete ihm. „Hm, ausgeflogen, vielleicht sind sie alle bei einem Fest?“, dachte sich Georg. Und so machte er sich auf zum Tanzplatz der Stadt. Aber auch dort war niemand zu sehen. „Ich bin Georg, der Furchtlose“, versuchte es Georg noch einmal, „wo gibt es eine Jungfrau, die ich bei den Hörnern packen, einen Drachen, den ich retten, einen Teufel, dem ich Recht verschaffen, äh …“ „Oh“, sagte Georg, als ihm klar wurde,was er da für einen Unsinn geredet hatte, und war lieber erst mal still. Plötzlich flog an einem Haus der Fensterladen auf. Ein verängstigtes Gesicht erschien darin und sah Georg misstrauisch an. „Wenn du all das bist, was du sagst, und tust, was du hier rumschreist, dann geh und pack diesen Teufel von Drachen bei den Hörnern, besiege ihn, rette die arme Jungfrau und schaffe mir Armem Recht, denn auch ich habe meinen Sohn an dieses Ungeheuer verloren!“ Damit knallte der Fensterladen wieder zu. Georg war ein wenig ratlos.
„Hallo?“, fragte er dann zaghaft. „Halloho?“, versuchte er es noch einmal. „Es tut mir leid, so schnell konnte ich nicht mitschreiben, könntet Ihr das noch einmal wiederholen?“, fragte er in Richtung des Fensterladens. Nach einigen Augenblicken öffnete der sich wieder.
„Na gut, nochmal für Fremde und Langsame“, sagte der Mann. „Die Stadt wird seit Wochen von einem schrecklichen Drachen bedroht, der jeden Tag aus dem See vor den Toren steigt“, erzählte er. „Zunächst hat er uns mit seinem Feuer und seinem Giftatem die Luft zum Leben genommen. Dann haben wir ihm jeden Tag zwei Schafe geopfert, die er verschlungen hat wie Bonbons. Und als wir keine Schafe mehr hatten, hat der König die Götter befragt, was wir nun tun sollen. Und die haben geantwortet, dass wir ihm nun jeden Tag einen Mensch opfern sollen. Mein Sohn war auch dabei, und der Drache hat auch ihn verschlungen, als wäre er Nachtisch. Heute nun ist das Los auf die Tochter des Königs gefallen. Eben haben sie sie vor die Stadt gebracht und am Felsen unten am See angekettet. Das Ungeheuer wirdjeden Augenblick kommen, um sie zu verschlingen. Und der König hat angeordnet, dass …“ Aber den letzten Satz hörte Georg schon nicht mehr, weil er seinem Pferd die Sporen gab. „Danke, mein Herr“, rief er dem Mann über die Schulter zu, „ich bin schon unterwegs!“ Kopfschüttelnd sah der Mann Georg hinterher. Dann schloss er den Laden wieder.
Als Georg am anderen Ende der Stadt durch die Tore ritt und Kurs auf den See nahm, sah er die arme Königstocher angekettet am Felsen stehen. „Habt keine Angst, Tochter des Königs“, rief er ihr zu, „ich werde euch befreien!“ Und damit kam sein Pferd vor ihr zu stehen. Schnell nahm er ihr die Fesseln ab.
„Wer seid ihr?“, fragte die Königstocher erstaunt, „dass ihr keine Angst vor dem Drachen habt?“ Da warf sich Georg in die Brust: „Ich bin Georg, der Furchtlose! Ich packe Teufel bei den Hörnern, besiege Drachen …“ – doch weiter kam er nicht, weil der See anfing zu brodeln und zu kochen und sich mit einem Mal ein riesiger Drachenkopf daraus erhob. Er spie Feuer, dass es Georg beinah den Helm vom Kopf blies.
„Wer wagt es, mir mein Opfer zu nehmen?“, fauchte der Drache und stieg an Land. Da erst
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